Russland kündigt Neuaufbau an
Nach dem Ausschluss der Antidoping-Agentur gibt sich die Sportführung reumütig
Die massiven Dopinganschuldigungen rund um Russlands Leichtathletik zeigen Wirkung. Die Befürchtung, die Institutionen des Weltsports würden vor der Großmacht Russland einknicken, scheinen sich nicht zu bewahrheiten. Nachdem bereits der Weltverband IAAF die russischen Leichtathleten ausgeschlossen hatte, zog am Mittwoch auch die Welt-Antidoping-Agentur WADA nach und suspendierte ihren russischen Ableger RUSADA. »Die Botschaft ist klar: Wir achten darauf, dass von nun an weltweit die Regeln eingehalten werden. Alle Antidoping-Organisationen müssen nachweisen, dass sie robuste Antidoping-Programme installiert haben« sagte WADA-Präsident Craig Reedie in Colorado Springs.
Trotz der Entscheidung darf Russland weiterhin internationale Großereignisse veranstalten. Die RUSADA wird erst wieder aufgenommen, wenn sie alle Forderungen nach einem sauberen Sport erfüllt hat. »Bei der Überprüfung werden wir sicher nicht hetzen«, kündigte Reedie an. »Wir werden es richtig machen, denn die Integrität des Sports wird bedroht.« Welche Änderungen die Russen angehen müssen, wurde nicht öffentlich erklärt. Reedie kündigte an, dass ein Expertenteam mit russischen Vertretern einen Fahrplan erstellen wird.
Den Dopingskandal hatte eine ARD-Dokumentation im Dezember 2014 ins Rollen gebracht. Darin hatten die Mittelstrecklerin Julia Stepanowa und ihr Mann Witali Stepanow, Ex-Mitarbeiter der RUSADA, über ein weitreichendes Betrugssystem ausgesagt und andere Athleten, Trainer und Funktionäre mit versteckter Kamera gefilmt. Die WADA beauftragte eine externe Kommission, die Vorwürfe zu prüfen. In deren Abschlussbericht wurde nun der Ausschluss der russischen Institutionen gefordert, da sich die Anschuldigungen und weitere Verfehlungen fast vollständig belegen ließen.
Sportminister Witali Mutko, dem die Kommission selbst Mitwisserschaft vorwirft, hatte die Vorwürfe zunächst heftig bestritten und gedroht, die finanzielle Unterstützung der RUSADA einzustellen. Zudem hatte die halbstaatliche Bank VTB angekündigt, den Sponsorvertrag mit der IAAF nicht zu verlängern. Doch alle Drohgebärden nutzten nichts, denn WADA und IAAF hielten sich an die von der Kommission empfohlenen Sanktionen. »Wir respektieren den Schritt der WADA und sind zur Zusammenarbeit bereit«, schlug Mutko am Donnerstag in Moskau versöhnlichere Töne an. »Nun brauchen wir einen Plan, wie wir die Probleme lösen. Wir sind bereit, unser Antidoping-System neu aufzubauen.«
Auch die Gründung eines Ad-hoc-Gremiums durch das Nationale Olympische Komitee zeigt, dass sich die Russen nun selbst dem Druck beugen, schließlich droht all ihren Leichtathleten der Ausschluss von den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Der neue Ausschuss soll dem Leichtathletikverband nun bei der Selbstreinigung helfen und wirkungsvolle Maßnahmen im Kampf gegen Doping entwickeln. WADA-Sprecher Rene Bouchard attestierte den Russen bereits »völlige Offenheit und den Willen zur Zusammenarbeit«. Am Rauswurf der RUSADA änderte dies jedoch nichts.
Vielmehr forderte die Athletenkommission der WADA, die Dopinguntersuchungen auf den gesamten russischen Sport auszudehnen. »Es dürfte anerkannt sein, dass es eine systematische Politik in Russland gewesen ist, die Athleten aller Sportarten betrifft«, sagte die ehemalige kanadische Skilangläuferin Beckie Scott. Solch groß angelegten Untersuchungen dürften jedoch an der Ausstattung der WADA scheitern. Daher kündigte ihr Chef Reedie an, »alle öffentlichen Stakeholder darum zu bitten, weitere Beiträge zu leisten, um Antidoping-Nachforschungen zu finanzieren.« Im Anschluss solle das IOC diese Beiträge dann verdoppeln.
Trotz des Bemühens um Eintracht kommen jedoch noch immer anklagende Töne aus Russlands. So wollen einige ertappte Sportler die ARD und deren Whistleblower verklagen. »Wir werden eine Sammelklage einreichen«, kündigte Mittelstreckenläuferin Kristina Ugarowa an, die vor einer lebenslangen Dopingsperre steht. »Wir werden wegen Verleumdung und übler Nachrede klagen. Es wird eine Klage gegen die ARD geben. Aber vor allem werden wir diese Stepanows vor Gericht bringen.«
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