Magerlohn bringt Sky-Mitarbeiter auf
Streik beim Bezahlsender im Nordosten geht weiter - Management verweigert Tarifverhandlungen
Es kann einfach nur Freude machen, in Schwerin bei Sky zu arbeiten! Ein Eindruck, den die Präsenz des Bezahlsenders im Internet mit vielen guten Worten vermittelt. Von derzeit 720 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien 63 schon seit dem Jahr 2000 im Unternehmen, heißt es da. Und ein Teamleiter schwärmt von »guter Atmosphäre«, von »abwechslungsreichen Aufgaben«, die ihm »großen Spaß« bereiten. Und man erfährt: Das Bundesarbeitsministerium hat dem Servicecenter das Gütesiegel »Unternehmen mit Weitblick« verliehen - für die Integration älterer Arbeitnehmer. Dieser Arbeitgeber, einer der größten in der Region, ist offenbar mustergültig in puncto Personal. Aber warum wird er dann seit dem 30.Oktober bestreikt?
Diese Frage mögen sich die Betrachter der Sky-Internetpräsenz gestellt haben, als viele Beschäftigte des Unternehmens und Unterstützer aus der Bevölkerung Anfang November erst auf einem Demonstrationszug durch Schwerin und dann vor der Staatskanzlei gegen die Personalpolitik der Firma protestierten. Dieser Protest ist am vorigen Mittwoch am Schweriner Schloss, vor dem Landtag, fortgesetzt worden. Am 5. November hatte die Gewerkschaft den Streik unterbrochen, wollte dem Unternehmen Zeit geben, Gesprächen über Tarifverhandlungen zuzustimmen. Sky tat dies nicht - seit Dienstag geht der Arbeitskampf weiter.
Die Tätigkeit im Call-Center könne durchaus Spaß machen, sagt Enrico Schuldt, ver.di-Betriebsgruppeneiter bei Sky, im Gespräch mit »nd«. Aber der Spaß ende beim Blick auf die Gehaltsabrechnung. Nur wenig mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro bekommen die Beschäftigten des »Team General« - der untersten Hierarchiestufe im Center - seit kurzem: magere 8,76 Euro pro Stunde. Gezahlt von einem Unternehmen, das mit deutschlandweit 2600 Beschäftigten im Geschäftsjahr 2014/15 einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro erzielte.
Bei der aktuellen Arbeitszeit von 30 Stunden in der Woche reiche solch dürftige Bezahlung nicht zum Leben, meint die Gewerkschaft. Selbst bei angenommenen 140 Arbeitsstunden im Monat ergäbe sich ein Gehalt von gerade mal 1226 Euro brutto. Ver.di schlägt vor, den Stundensatz auf 9,50 Euro zu steigern und für Vollzeitbeschäftigte die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden auszudehnen. Darüber möchte die Gewerkschaft mit Sky verhandeln. Auch über weitere Wünsche, etwa über Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Jeweils die Hälfte eines Monatslohnes wäre angemessen, meint ver.di. Doch die Unternehmensleitung in Unterföhring bei München verweigert das Gespräch.
Von »nd« nach dem Grund gefragt, verweist Sky-Sprecher Axel Rakette auf eine Betriebsvereinbarung, die das Unternehmen mit dem Betriebsrat geschlossen hat und die auch die Lohnerhöhung auf 8,76 Euro enthält. So ein Konsens sei »eine rechtlich zulässige und vom Gesetzgeber gewollte Alternative zum Tarifvertrag«. Ver.di sei als »externe Gewerkschaft, die nur einen Teil der Mitarbeiter vertritt und die Anforderungen unseres Geschäfts nicht kennt«, für Sky kein sinnvoller Verhandlungspartner.
Der organisierte »Teil« der Belegschaft ist allerdings nicht gerade klein: Über 60 Prozent der rund 500 fest angestellten Mitarbeiter seien ver.di-Mitglieder, informiert Gewerkschaftssekretär Manuel Gellenthin. Er kann die Sky-Absage nicht nachvollziehen. Weder wolle ver.di sich an Zahlen festbeißen, noch unrealistische Forderungen erheben. »Schon Sondierungsgespräche wären doch ein Weg aufeinander zu«, so Gellenthin. Doch Sky mauere, deshalb werde der Arbeitskampf fortgesetzt.
Rückhalt haben die Streikenden dabei von der politischen Ebene. Die Mehrheit der Stadtvertretung hat sich mit den Beschäftigten solidarisch erklärt und an die Geschäftsführung appelliert, Verhandlungen mit ver.di. aufzunehmen. Das Gleiche fordern aus den Reihen des Landtags der SPD-Sozialexperte Jörg Heidorn, LINKEN-Fraktionschef Helmut Holter und Silke Gajek (Grüne), Vizepräsidentin des Parlaments.
Ihnen ist die Blockadehaltung der Sky-Chefetage genau so unverständlich wie den Gewerkschaftern. Ver.di wolle der Firma doch nichts Böses, betont Sekretär Gellenthin. Es würde in der Öffentlichkeit doch positiv wahrgenommen werden,wenn sich die Firma als Tarifpartner zeigt. Zurzeit aber, so bedauert auch Betriebsgruppenleiter Enrico Schuldt, »pflegt das Unternehmen nach außen sein Saubermannimage - aber nach innen erleben wir Beschäftigten eine andere Welt.«
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