Neue Wohnung überm Stadion
Unter allen Kandidaten ist die Hamburger Olympiabewerbung auf dem Papier die teuerste, aber immerhin gibt es hier ein Papier
11 217 000 000. Das könnte die Zahl sein, an der die Olympiabewerbung Hamburgs scheitert. Gut 11,2 Milliarden Euro, errechneten die Olympiamacher, dürfte die Ausrichtung der Sommerspiele 2024 kosten. 3,8 Milliarden kämen als Einnahmen zurück, der Rest bliebe an den Steuerzahlern aus ganz Deutschland hängen. Es war ungewöhnlich und irgendwie auch mutig, diese Zahlen zu veröffentlichen, liegen sie doch weit über denen der Kontrahenten.
Der Finanzplan umfasst 114 Seiten. Der von Mitbewerber Los Angeles (geplantes Budget: 5,1 Milliarden Euro) gerade mal zwei. Von Rom (6 Milliarden), Budapest (2,5) und Paris (6,2) gibt es noch gar keine veröffentlichten Finanzpläne. Allen ist nur eins gemein: Sie wedeln mit den vom IOC garantierten Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro herum, dazukommen Ticketerlöse und eigene Sponsorenverträge, da rechnen sich die Spiele doch von ganz allein. Das tun sie jedoch nie - jedenfalls nicht so simpel.
Es ist Standard, dass Olympiabewerber jene Kosten, die offiziell nicht der Austragung der Spiele zugerechneten werden, vor der Ausrichterwahl verschweigen. Hamburg brach nun mit dieser Tradition, sicherlich getrieben von der NOlympia-Bewegung und dem Versprechen, ein Referendum abzuhalten. Also wurden Masterpläne erstellt, Kosten für Bahnhöfe und Brücken aufgelistet.
Auf die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gern beschworene Trennung zwischen reinen Olympia- und angeblich doch immer nachhaltigen Infrastrukturkosten verzichten die Hamburger weitestgehend. Am Ende wird sowieso zusammengezählt. Auch eine Inflation von zwei Prozent pro Jahr sowie die um geschätzte 20 Prozent steigenden Baupreise wurden eingerechnet. Da kommt man schnell auf 11,2 Milliarden Euro für ein Mega-Event. Von Bahnhöfen, Brücken oder einem zwei Milliarden Euro teuren Mobilitätskonzept ist bei den Kontrahenten nichts zu lesen, die verzichten bislang auch auf Bürgerbefragungen.
In Hamburg soll dagegen alles transparent sein. So kann das Wahlvolk IOC-Vorgaben und eigene Pläne auf der Website der Bewerbungsgesellschaft einsehen. Zu dumm, dass der Skandal um die Vergabe der Fußball-WM 2006 nun ungünstig dazwischenkam. »Vor diesem Hintergrund sind die Hamburger Werte ausgesprochen gut«, versuchte es Sportstaatsrat Christoph Holstein positiv auszudrücken. Ob die Olympiamacher mit dieser Strategie punkten können oder die eigenen Chancen eher schmälern, entscheiden erst Hamburgs Bürger und dann 2017 das IOC.
Kritiker bemängeln, dass die veranschlagten 460 Millionen Euro für die Sicherheit der Spiele zu gering angesetzt seien. Doch immerhin gibt es eine Zahl. Selbst Los Angeles lässt diesen Punkt komplett weg. Dabei wäre in den USA wohl mit den höchsten Kosten zu rechnen.
In Hamburg sollen insgesamt fünf Wettkampfstätten neu entstehen, viele andere aufwendig restauriert. Kandidaten wie Los Angeles schreiben lieber, dass 80 Prozent der Arenen schon existieren. Dass auch deren Modernisierung Milliarden kosten dürfte, bleibt elegant unerwähnt.
In Hamburg sind unter anderem Olympiastadion, Schwimm- und Olympiahalle sowie das Athletendorf als Neubauten geplant. Daraus soll laut Masterplan später ein moderner Stadtteil werden. Sogar der Oberrang des Stadions soll zu Wohnungen umgebaut werden, Laufbahn und Unterrang bleiben erhalten. Dort könnten also in den Folgejahren weiterhin Leichtathletikwettbewerbe vor 20 000 Zuschauern stattfinden. Doch wer zieht in die Wohnungen darüber ein, wenn’s alle paar Wochen ziemlich laut im Hof wird? An manchen Nachhaltigkeitskonzepten sollte also auch in Hamburg gezweifelt werden.
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