Prostitution und mangelnde Aufklärung lassen HIV-Infektionen steigen
Politische Barrieren machen Aidsbekämpfung in Ländern und Provinzen Südostasiens schwierig
Es ist noch nicht lange her, da sorgte Aids für schreckliche Schlagzeilen über Tausende Tote, furchtbare Krankheitsbilder und rasant steigende HIV-Infektionszahlen. Heute beginnt die Erklärung von UNAIDS fast euphorisch: »Der Fortschritt bei der Antwort auf HIV war in den vergangenen 15 Jahren außerordentlich«, verkündet die Aidshilfe der Vereinten Nationen. Dank der antiviralen Therapien sei die Zahl der Aidstodesfälle seit ihrem Höhepunkt 2004 um 42 Prozent gesunken. Weltweit hätten bereits 15,8 Millionen Menschen mit HIV und Aids Zugang zu den Therapien. »Alle fünf Jahre konnten wir die Zahl der Menschen verdoppeln, die diese lebensrettenden Behandlungen erhalten«, sagt UNAIDS-Direktor Michel Sidibé. Das ehrgeizige Ziel der Organisation ist es, die Krankheit bis 2030 auszumerzen. Knapp 36,9 Millionen Menschen leben laut UNAIDS mit dem HI-Virus.
Erfreuliches hat UNAIDS auch bei den Infektionszahlen zu vermelden. Die sind seit dem Höhepunkt der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2000 um 35 Prozent zurückgegangen. Aufklärung und Prävention zeigen Wirkung. Kulturelle, religiöse und politische Widerstände gegen Aufklärung für gesellschaftliche Minderheiten wie Schwule, Sexarbeiter oder Drogenabhängige seien geringer geworden. Als eine von vielen Erfolgsgeschichten gilt der Iran. »2002 bis 2003 gab es in der Islamischen Republik Iran nur ein Gefängnis, das an 100 opiatabhängige Gefangene Methadon ausgab. 2009 war die Strategie zur Reduzierung gesundheitlicher Schäden (Harm Reduction) 25 000 Gefangenen in 142 Gefängnissen aller 33 Provinzen zugänglich.«
Wie politische Verhältnisse eine erfolgreiche Aidsbekämpfung behindern können, zeigt sich dagegen am Beispiel Myanmar. »Rund 100 000 Menschen mit HIV und Aids erhalten bereits die antiviralen Therapien. Das sind gut 40 Prozent aller Betroffen«, erklärt Eamonn Murphy, Leiter des UNAIDS-Büros in Rangun. Anders aber sieht es in Kachin und im nördlichen Shan Staat aus. Hier blühen auf Grund der politischen Verhältnisse intravenöser Drogengebrauch und Prostitution. Diese Faktoren wiederum treiben die Zahl neuer HIV-Infektionen in die Höhe. In beiden Regionen toben heftige Kämpfe zwischen der Armee von Myanmar und ethnischen Milizen. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Die Bürgerkriege treiben noch mehr Menschen in die Armut. Für viele Frauen bleibt Prostitution die letzte Möglichkeit, etwas Geld für das Überleben ihrer Familien zu verdienen. Ein anderes großes Problem sind die Produktion und der Konsum von Drogen. Zudem opponieren religiöse Gruppen - die Mehrheit der Kachin sind protestantische Christen - gegen bewährte Instrumente der Prävention wie Kondome, saubere Nadeln und Methadon.
Entgegen dem weltweiten Trend steigt auch in Osttimor die Zahl der HIV-Neuinfektionen. Seit 2011 ist sie laut der Aidskommission des mehrheitlich katholischen Osttimor um 33 Prozent in die Höhe geschnellt. Der erste Fall wurde 2001 gemeldet, knapp zwei Jahre nach der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit von Indonesien. Im jungen Staat Osttimor hatte die Kirche die Schließung der Rotlichtbezirke durchgesetzt. Die Prostitution verlagerte sich in den Untergrund. »Von da an verbreitete sich HIV«, schrieb kürzlich gar das katholische Onlinemedium UCAN.
Auf der asiatisch-pazifischen Aidskonferenz (ICAAP) in Dhaka sollten am vorletzten Novemberwochenende auch Strategien diskutiert werden, wie politische, religiöse und kulturelle Barrieren bei der Aidsbekämpfung besser überwunden werden können. Dazu kam es nicht. Die Tagung in der Hauptstadt des mehrheitlich islamischen Bangladesch wurde auf einen unbestimmten Termin verschoben, weil angesichts der zunehmenden islamistischen Gewalt im Land die Sicherheit der Teilnehmer nicht mehr garantiert werden konnte.
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