Rechter Klimawandel

  • Eva Bulling-Schröter
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Sonntag wird in Frankreich gewählt, der französische Front National ist bei den Regionalwahlen auf dem Vormarsch. Dabei wird rechtnationaler Chauvinismus sogar mit ökologischen und linken Forderungen verquirlt.

Jede Krise hat Krisengewinner. Was in Deutschland die AfD noch werden will, das ist in Frankreich schon lange der Front National (FN). Bei den anstehenden Regionalwahlen in Frankreich, bei denen diesen Sonntag und eine Woche drauf am 13. Dezember landesweit Regionalräte und BürgermeisterInnen bestimmt werden, liegt die »Nationale Front« bei 30 Prozent. In sechs von 13 Regionen liege der FN vorn. Nur um die Dimension dieses politischen Klimawandels zu verdeutlichen: Die SPD steht in Deutschland seit Jahren bei 25 Prozent, während der deutsche FN-Gegenpart AfD, die Partei der Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit, langsam aber stetig zu einer etablierten 10-Prozent-Partei zu werden droht. Stimmen die aktuellen Umfragen, der Front National wäre im Geburtsland der bürgerlichen Revolution künftig die stärkste politische Kraft. Eine Partei, die Staatsbürgern mit Migrationshintergrund das Präsidentenamt verweigern will. Eine Partei, die keine Flüchtlinge mehr aufnehmen will, und am liebsten aus dem Euro aussteigen würde. Eine Partei, die von russischen Banken mit Nähe zum Kreml mit Millionen-Krediten vorm Bankrott und Untergang gerettet wurde, um im Gegenzug die Abspaltung der Krim durch Russland in Frankreich gut zu heißen und Unruhe im NATO-Staat zu schüren.

Ich bin nach einer vollen Bundestags-65-Stunden-Woche zurück in Ingolstadt. Eine kurze Verschnaufpause mit einigen Ortsterminen, auch am Wochenende und am sitzungsfreien Montag, um dann ab Dienstag zum Endspiel der Klimakonferenz in Paris zu fahren. Was hat die Front National eigentlich zu Klima- und Energiepolitik zu bieten? Im Parteiprogramm finden sich erstaunliche Ähnlichkeiten mit linken Forderungen. Der Staat müsse in den Bereichen der öffentlichen Dienstleistungen das Heft in die Hand nehmen, besonders bei Energie, Wasser, öffentlichem Personenverkehr, Telekommunikation und Post, heißt es. Die Liberalisierung, sprich Privatisierung staatlicher Unternehmen, die durch die »ultraliberalen« Europäischen Verträge legimitiert werden, müsse gestoppt werden, um das »Dogma der freien Konkurrenz« in die Schranken zu weisen. Gefordert wird eine Rekommunalisierung der privatisierten Wasserbetriebe, der Post. Eine staatliche Aufsichtsbehörde soll die Energiepreise für Strom und Gas in Schach halten. Kurzum, die öffentliche, demokratische Kontrolle über die Daseinsvorsorge zurückzugewinnen.

Genau das ist seit Jahren linke Agenda. In alter Faschistenmanier plündert die FN nicht nur die linke Programmatik. Auch die linke Sprache wird ausgenommen. Die »Ausbeutung der natürlichen Ressourcen« müsse aufhören, »Nahrungsmittelsicherheit« für Alle garantiert werden. Über eine Wirtschafts- und Produktionsweise vor Ort, ohne lange Transportwege und durch Verkehrsvermeidung könnten Treibhausgase verringert werden.

Wird es aber konkreter, wie bei der Energiepolitik, scheiden sich die Geister auch inhaltlich. Der Ausbau der Erneuerbaren wird zwar als »ökologische Energiepolitik« benannt, daran kommt heute niemand mehr vorbei. Um den Stromappetit der Grande Nation zu stillen müsste man jedoch über eine Viertel Million Windräder aufstellen. Und Solaranlagen von der Fläche »eines halben Departements« bauen. Oder die Hälfte aller Landwirtschaft-Flächen für Energie vom Acker bestellen, würde man auf Biokraftstoffe setzen, malt der FN ein unüberwindbares Szenario an die Wand. Und überhaupt sei Klimaschutz eine perfide Maßnahme der bösen Regierung, weil »Paare davon abgehalten werden sollen mehr als zwei Kinder groß zu ziehen, damit diese nicht noch mehr CO2 ausstoßen«, so die FN-Verschwörungstheorie zur »Familie als Zielscheibe der Regierungspolitik«. Schenkt man den Populisten alter Schule Glauben, ist die Energiewende für die Franzosen so schwer zu knacken, wie die Mona Lisa aus dem Louvre zu klauen ist.

Darum, so der Schluss, fahre die Atomkraft auch die nächsten Jahrzehnte weiter im Gelben Trikot. Die Risikotechnik sei klimafreundlich, und, so der Demagogen-Clou, verhindere damit mehr Flüchtlinge und Fremde, die bei den FN-Adepten bekanntermaßen Sündenbock für (fast) alle sind. Auch in Kernfusion müsse darum massiv investiert werden, findet die Partei des Holocaust-Leugners Jean-Marie Le Pen, der von seiner Tochter Marine, der neuen Chefin der französischen Tea-Party wegen dessen nicht salonfähigen Judenhasses vorsichtshalber mal aufs Abstellgleis manövriert wurde.

Diese Weichwascherei kennt man in Deutschland auch von AfD und Pegida: Bloß die braven BürgerInnen nicht verschrecken. Wir sind keine Rassisten, nur besorgte Asylkritiker ... Von der IS-Krise profitieren aber nicht nur die rechten Rattenfänger. Auch das Regierungslager von Präsident Hollande wird seine Ernte vom harten Kriegskurs einfahren. Und wieder einmal bestätigt sich: In Krisenzeiten sind es oft einfache Antworten, die fruchten. Die Pariser Verhältnisse, bald auch Berliner Verhältnisse? Wir werden auf jeden Fall dagegen halten!

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