Verhaftete türkische Journalisten rufen Verfassungsgericht an
Chefredakteur und Büroleiter von »Cumhuriyet« in Haft wegen Bericht zu angeblichen Waffenlieferungen an Extremisten in Syrien / EU-Kommission will Verhandlungen über EU-Beititt der Türkei beschleunigen
Berlin. Seit fast zwei Wochen sitzen der Chefredakteur der oppositionellen Zeitung »Cumhuriyet«, Can Dündar, und sein Büroleiter in Ankara, Erdem Gül, in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Spionage und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Nun soll das türkische Verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Verhaftung entscheiden, berichtet »Spiegel Online«.
Der Anklage liegt eine persönliche Anzeige des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zugrunde, die beiden Journalisten wurden am 26. November verhaftet. Die Zeitung hatte 2014 über angebliche Waffenlieferungen aus der Türkei an Extremisten in Syrien berichtet. Über diesen Fall hatten türkische Behörden eine Nachrichtensperre verhängt.
Nach Auffassung von Gül und Dundar verstößt ihre Inhaftierung gegen die Verfassung, außerdem sei ihren Anwälten der Zugang zu wichtigen Dokumenten des Verfahrens bisher verweigert worden, wie die Zeitung »Hürriyet« berichtet.
Die Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei sind in der letzten Zeit nochmals stark angestiegen: Drei Redakteure der Tageszeitung BirGün müssen sich seit dem 1. Dezember vor Gericht verantworten, weil sie Präsident Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben sollen. Dieser wurde erst vor einem Monat erneut in seinem Amt bestätigt. Der Umgang der türkischen Regierung mit der Presse ist mittlerweile weltbekannt. So schrieb der Sprachwissenschaftler und Globalisierungskritiker Noam Chomsky kürzlich in einem Artikel für die Washington Post: »Journalismus wird [in der Türkei] umgebracht.«
Unterdessen treibt die EU-Kommission die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei voran. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Ankara zugesichert, dass seine Behörde im ersten Quartal 2016 die Vorbereitungen für die Eröffnung von fünf weiteren sogenannten Beitrittskapiteln abschließen wolle, wie es in einem Schreiben vom 29. November heißt, das der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag. Demnach geht es um folgende Bereiche: Kapitel 15 (Energie), 23 (Rechtswesen und grundlegende Rechte), 24 (Justiz, Freiheit und Sicherheit), 26 (Bildung und Kultur) sowie 31 (Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik). stf/Agenturen
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