Schwimmen oder ein neues Knie
Gesetzliche Krankenkassen schmeißen Arthroskopie aus ihrem Leistungskatalog
Die Arthroskopie oder Gelenkspiegelung am schmerzenden Knie, bei der die Gelenkoberfläche geglättet wird, steht schon länger in der Kritik von Orthopäden und Unfallchirurgen. Sie könne Arthrose, den Knorpelverschleiß, nicht heilen, von dem heute fast jeder Mensch über 60 Jahren betroffen sei. Rund 17 Prozent aller Männer und 27 Prozent der Frauen erkranken an Arthrose, meist in Hüfte und Knie. Gonarthrose nennt man das in letzterem Fall.
Im Knie verringert sich bei dieser degenerativen Erkrankung die Knorpelmasse am Meniskus, dem Stoßdämpfer zwischen den Gelenken. Er wird spröde und bekommt Risse. Glättet man ihn an einer Stelle, reißt er bald an anderer. Nachbilden kann er sich allenfalls beim Kind. Hinzu kommen bei einem Eingriff neue Risiken wie Thrombosen oder Verletzungen. Ohnehin spärlich vorhandene Knorpelmasse wird geschädigt. Mehr als eine Operation bringt hier Bewegung, meinen Experten nicht erst seit heute. Knieschonender Sport wie Schwimmen, Radfahren oder Gehen spülen Gelenkflüssigkeit durch das beeinträchtigte Knie, die wie natürliches Schmiermittel wirkt. Außerdem baut Sport Muskeln auf, die das Knie stabilisieren.
Dennoch werden in Deutschland im OECD-Vergleich doppelt so viele Knieoperationen vorgenommen wie im Durchschnitt der 34 Mitgliedsländer dieser europäischen Organisation. Für die gesetzlichen Krankenkassen stellte sich folglich die Frage, ob sie mit den Arthroskopien Luxuseingriffe bezahlt, die wenig bewirken und alle paar Monate wiederholt werden müssen. 2010 leitete der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen (GBA) - das zuständige Gremium für die Bewertung aller Therapien und Arzneien - daher ein Bewertungsverfahren für die Gelenkspülung, die Abtragung der Gelenkschleimhaut, die Knorpelglättung und die Meniskusentfernung bei Gonarthrose ein. Das Ergebnis: »Für die untersuchten arthroskopischen Verfahren bei Gonarthrose konnte im Vergleich zu Scheinoperationen oder einer Nichtbehandlung kein Nutzenbeleg gefunden werden«, begründete Dr. Harald Deisler vom GBA. Genau dies wäre Voraussetzung für den Verbleib im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gewesen. Nun ist die Arthroskopie da nicht mehr drin.
Scharfe Kritik kommt vom Berufsverband für Arthroskopie e.V. Hier hält man die Studienlage für mangelhaft. Der GBA habe auf eine amerikanische Studie zurückgegriffen, die nur an Männern gemacht wurde. Es wurden zu wenige Patienten eingeschlossen, keine Fehlstellungen beachtet, nicht zwischen Arthrosearten unterschieden. Die Übertragbarkeit dieser Daten auf alle Patienten mit Kniegelenkarthrose halten die Arthrosemediziner für unmöglich. Verbandsvorsitzender Ralf Müller-Rath beklagt, dass erstmalig Zweiklassenmedizin in der operativen Orthopädie eingeführt werde und Operationen in Deutschland zur Luxusmedizin würden.
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