Märchen statt Oper
Klaus Wowereit gibt im Untersuchungsausschuss den Ahnungslosen
Klaus Wowereit geht immer noch gern in die Oper, auch in die Staatsoper. Erst am kommenden Sonnabend wieder zur Premiere von »La Traviata«, die natürlich auch wieder in ihrem Ausweichquartier Schillertheater über die Bühne geht. Denn das Stammhaus Unter den Linden steht bekanntlich weiterhin nicht zur Verfügung. Woran der einstige Regierende Bürgermeister und Kultursenator einen gewissen Anteil hat.
Wie groß der ist, wollten am Freitag die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Staatsoper ergründen. Doch die fast dreistündige Befragung des Zeugen Wowereit dürfte nicht viel zum Erkenntnisgewinn beigetragen haben. Für die Kostenexplosion und die Überschreitung des Zeitplans fühlt er sich offenbar nicht verantwortlich. Die Sanierung der Staatsoper war ursprünglich mit 239 Millionen Euro veranschlagt, jetzt wird mit über 400 Millionen gerechnet. Die Wiedereröffnung des Hauses hat sich um vier Jahre auf 2017 verschoben. Vorhaltungen vom Ausschussvorsitzenden Wolfgang Brauer (LINKE), wonach schon 2008 von der Bauverwaltung auf Terminprobleme hingewiesen wurden, er aber auf Einhaltung des Zeitplans bestand, perlten an Wowereit ab. Alle Planungen und Umplanungen seien von der fachlichen Ebene vorbereitet worden, er habe »nie einsame Entscheidungen getroffen«, sagte der 62-Jährige. »Sie müssen nicht denken, dass ich da an meinem Schreibtisch sitze und mir was ausdenke.«
Die Terminprobleme nahmen ihren Anfang im Jahr 2008, als der moderne Siegerentwurf des ersten Architekturwettbewerbs für die Staatsoper gekippt wurde. Der sei nicht denkmalgerecht gewesen, erklärte Wowereit. Der neue Entwurf des Architekten HG Merz erhält zwar den Zuschauerraum weitgehend, dafür entsprach die Akustik nicht der von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim geforderten von 1,8 Sekunden. Oliver Schruoffeneger (Grüne) hielt Wowereit dagegen vor, dass der damalige Ausschreibungstext zu drei Viertel von Verbesserung der Akustik handelte.
»Wir haben nicht alle Nutzerwünsche akzeptiert und immer die finanzielle Situation Berlins im Blick gehabt«, so Wowereit. Der Nachhall wird jetzt durch das Anheben der Decke um vier Meter auf 1,6 Sekunden ausgedehnt, immerhin 0,4 mehr als bisher. Wowereit glaubt aber nicht, dass diese Klang-Frage etwas mit der späteren Kostensteigerung zu tun hat. Die vier Millionen Euro schienen vertretbar. Stärker schlägt schon der Bau des unterirdischen Tunnels zu Buche, nämlich mit 37 Millionen Euro. Der wird gebaut, damit die Kulissen nicht mehr über die Straße angeliefert werden müssen. Denn das Magazingebäude steht nicht mehr zur Verfügung. Wowereit hat es Barenboim vermacht für dessen Barenboim-Said-Akademie. So konnten 50 Millionen Euro aus den zwischenzeitlich auf 300 Millionen angewachsenen Sanierungskosten herausgerechnet werden.
Auch als selbst die Bundeskulturverwaltung Zweifel am Zeitplan anmeldete, hielt Wowereit an der Fertigstellung 2013 fest. »Ich fordere nicht Unsinn ein, sondern suche nach Alternativen.« Zum Beispiel in Teilbereichen schon anzufangen, obwohl die Gesamtplanung noch nicht stand. Er habe den Druck aufrecht erhalten wollen. »Niemand hat gesagt, das geht nicht.« Und die Pannen bei den Bauabläufen kriege man so mitgeteilt, »da kann man nichts machen«. Und wenn plötzlich Pfähle im morastigen Baugrund auftauchen, »muss man das hinnehmen«.
Für die Grünen ist das nicht Große Oper, sondern »Märchenstunde mit Onkel Klaus«. Wowereit spiele den Unwissenden. Pirat Wolfram Pries sprach vom »System Wowereit: Wichtige Entscheidungen wurden ohne schriftliche Grundlage als Weisungen nach unten gereicht.«
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