Hassbotschaften sollen nach 24 Stunden verschwinden

Justizminister will deutsches Recht in sozialen Netzwerken durchsetzen / Grüne: Maas lässt sich von Facebook vorführen / Amadeu Antinio Stiftung fordert «aktive digitale Zivilgesellschaft

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Hassbotschaften und Gewaltaufrufe im Internet sollen künftig auf mögliche Verstöße gegen deutsches Recht geprüft und schnell gelöscht werden. Dies kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung von Ergebnissen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Internetunternehmen wie Facebook und Google an.

Das Justizministerium und die beteiligten Unternehmen hätten sich darauf verständigt, deutschsprachige Mitarbeiter entsprechend juristisch zu schulen und Inhalte mit Hasskriminalität im Regelfall binnen 24 Stunden zu entfernen.

Task Force Hassbotschaften: Bereits beschlossene Schritte

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen stellen anwenderfreundliche Mechanismen zur Übermittlung von Beschwerden zur Verfügung.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen überprüfen konkrete Meldungen über hasserfüllte Inhalte und Aufstachelung zu Gewalt insbesondere auch auf Grundlage des deutschen Rechts.

Nach Erhalt einer Beschwerde lassen die in der Task Force vertretenen Unternehmen die Beschwerden durch darauf spezialisierte Teams zügig prüfen. Soweit erforderlich setzen die Unternehmen hierfür auch deutschsprachige Experten ein.

Rechtswidrige Inhalte werden unverzüglich nach Inkenntnissetzung entfernt; die Mehrzahl der gemeldeten Inhalte wird in weniger als 24 Stunden geprüft und, falls erforderlich, entfernt.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen verfügen über Nutzungsbedingungen, in denen erläutert wird, unter welchen Voraussetzungen Nutzerdaten an die Strafverfol-gungsbehörden weitergegeben werden können.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen fördern das breitangelegte Melden und „Flaggen“ von Inhalten, insbesondere über Partnerschaften mit NGOs, indem sie die je-weiligen Unternehmensrichtlinien, den Meldeprozess und beschwerdefähige Inhalte ver-deutlichen.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen stellen Transparenz sicher, indem sie der Öffentlichkeit darüber berichten, wie sie ihre Nutzungsbedingungen hinsichtlich der Entfernung gemeldeter Inhalte umsetzen.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen stellen sicher, dass ihre Mitarbeiter angemessen geschult werden.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen und Organisationen werden ihre Zusammenarbeit u.a. durch folgende Maßnahmen intensivieren: verstärkter Informationsaustausch, regelmäßige Mitarbeiterschulungen, gemeinsame Erarbeitung von Informationsmaterialien.

Die in der Task Force vertretenen Unternehmen wollen auch weiterhin die Tätigkeit der NGOs fördern, insbesondere indem sie Anzeigevolumina auf ihren Plattformen zur Verfügung stellen.

Alle Beteiligten erkennen den Wert der Gegenrede zu hasserfüllter Rhetorik an und identifizieren und fördern daher wirksame Gegen-Narrative und unterstützen Bildungsprogramme, die das kritische Denken fördern.

Quelle: Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz 

Meinungsfreiheit sei gerade auch im Internet ein hohes Gut, sagte Maas. Dennoch dürfe die Justiz bei Gewaltaufrufen und Volksverhetzung im Netz »kein Auge zudrücken«. Das deutsche Recht werde daher künftig neben den eigenen Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke Grundlage bei der Prüfung und Löschung von Videos, Kommentaren oder sonstigen Inhalten maßgeblich sein, erläuterte der Justizminister. Daten verdächtiger Internetnutzer würden gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, was laut Maas schon in der Vergangenheit zu mehrjährigen Haftstrafen geführt hat.

Vertreter von Facebook und Google sagten zu, die Möglichkeiten für Nutzer zur Meldung gefährlicher Inhalte zu verbessern. Diese sollten dann nach einer Prüfung im Normalfall binnen eines Tages von den Seiten verschwinden. Die Unternehmen räumten ein, dass eine umfassende Kontrolle aufgrund der starken Zunahme eindeutiger Hassbotschaften schwierig sei. Zugleich weigerten sie sich aber, konkrete Angaben zur dafür vorgesehenen Mitarbeiterzahl zu machen. Mitarbeiter seien »ausreichend vorhanden« und würden im Bedarfsfall kurzfristig aufgestockt, sagte Richard Allan, Leiter für Politikbeziehungen bei Facebook.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich beispielsweise mit Prävention und Bekämpfung von Rassismus beschäftigen, sollen auf den Plattformen mehr Raum in Form von Werbeplätzen und ähnlichem bekommen. Die Organisationen könnten den Seitenbetreibern auch als »vertrauenswürdige Berichterstatter« einen Teil ihrer Arbeit abnehmen und verdächtige Inhalte melden, erklärten die Unternehmen. Facebook kündigte an, mit zivilgesellschaftlichen Partnern bis Mitte 2016 einen Leitfaden zum Thema »Hate Speech« im Netz zu entwickeln und Initiativen zur Gegenrede zu stärken.

Grüne: Maas lässt sich von Facebook vorführen

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Fraktionsvize Konstantin von Notz erklärten, Justizminister Maas lasse sich von Facebook »vorführen«. Die Diskussion um effektiveres Prüfen und Löschen gefährlicher Inhalte werde seit Jahren geführt, doch außer bei Aufnahmen nackter Haut reagiere das Netzwerk weiterhin schwerfällig. Urheber von Hassbotschaften müssten deutschen Behörden rigoros gemeldet werden, so dass diese mit angemessener Personalausstattung strafrechtlich reagieren könnten, forderten die Grünen-Politiker.

Die Amadeu Antinio Stiftung forderte am Dienstag in einer Mitteilung eine »aktive digitale Zivilgesellschaft ebenso wie Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, aber auch einer aktiven und spürbaren Strafverfolgung durch Justizbehörden« und wies auf die Bedeutung von Counter Speech hin.

»Die Task Force gegen Hassrede war ein guter Start, um viele Handelnde an einen Tisch zu bringen. Im Ergebnispapier liest es sich allerdings, als könnten Facebook und Google das Problem gesellschaftlicher Hassrede allein durch Löschungen lösen. Dabei waren sich alle Beteiligten einig, dass Counter Speech, also demokratische Gegenrede, ein ebenfalls sehr wirkungsvolles Instrument darstellt. Wie allerdings eine digitale Zivilgesellschaft darin ganz praktisch und auch finanziell unterstützt werden kann, diese Maßnahmen professionell und passgenau umzusetzen, blieb unbeantwortet«, so Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.

Simone Rafael, Chefredakteurin von Netz-gegen-Nazis.de, fügte hinzu: »Auch die Politik und die Strafverfolgungsbehörden müssen das Internet als Handlungsraum ernst nehmen und Volksverhetzung und Bedrohung dort schnell und in allen angezeigten Fällen ahnden – denn der Eindruck eines ‚rechtsfreien Raums‘, der gerade bei rechtspopulistischen und rassistischen Nutzern und Nutzerinnen entstanden ist, trägt entscheidend zur wachsenden Verbreitung von Hassrede bei.« Agenturen/nd

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