Jeder vierte Spanier noch unentschieden
Konservative PP machen Anti-Links-Wahlkampf gegen die »Super-Roten« / Debatte über Große Koalition mit sozialdemokratischer PSOE
Berlin. Am Sonntag wird in Spanien gewählt - und kurz vor Öffnung der Stimmlokale sind noch viele Wahlberechtigte unentschieden. »Vor vier Jahren kannten wir den Wahlausgang schon ein Jahr vorher und jetzt, zwei Tage vor der Wahl, ist einer von vier Wählern noch unentschieden«, sagt José Pablo Ferrándiz vom Umfrageinstitut Metroscopia. Das birgt Chancen und Risiken - je nach politischem Standort.
Da Podemos zuletzt immer weiter zulegte und wenige Tage vor der Wahl erstmals seit September wieder über 20 Prozent in Umfragen erhielt, macht die rechtskonservative Regierungspartei Partido Popular kurz vor der Abstimmung vor allem gegen die Linken Front. Es bestehe die Gefahr einer Regierung der »Superroten« unter Führung von Podemos und mit Beteiligung der sozialdemokratischen PSOE, wurde aus der Partei von Mariano Rajoy kolportiert.
Eine ganz andere Stoßrichtung hatten am Freitag aus der Partido Popular genährte Spekulationen, wonach der Ministerpräsident eine Große Koalition mit den Sozialdemokraten eingehen könnte. Dazu müsste die PSOE allerdings ihren Parteichef Pedro Sánchez ablösen, hieß es. Rajoy wies diese Gedankenspiele zurück. Über Koalitionspartner werde er »am Tag nach der Wahl sprechen«, sagte der konservative Politiker dem staatlichen Rundfunk RNE. »Ich habe eine Große Koalition nicht vorgeschlagen, und das hat auch niemand in meiner Partei getan.«
Nach Umfragen gilt es als praktisch ausgeschlossen, dass die Partido Popular bei der Wahl am Sonntag ihre absolute Mehrheit behaupten kann. Die Konservativen dürften etwa ein Drittel ihrer Sitze verlieren und mit 25 bis 30 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft ins Ziel gehen. Und dann? »Wenn ich im Parlament keine ausreichende Unterstützung habe, werde ich sie mir suchen«, hat Rajoy bereits angekündigt. Die PSOE liegt in letzten veröffentlichten Umfragen bei 20 bis 21 Prozent.
Die liberalen Ciudadanos (»Bürger«) können demnach auf 18 bis 20 Prozent der Stimmen hoffen, die neue Linkspartei Podemos kam auf 18 bis 20 Prozent, in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur ist fälschlich von Werten zwischen 15 bis 19 Prozent die Rede. Die zwei aufstrebenden Parteien waren bisher nicht im Parlament vertreten gewesen.
Vor den Wahlen war völlig offen, welche Parteien sich zu einem Regierungsbündnis zusammenschließen würden. Der C's-Parteichef Albert Rivera kündigte an, seine Partei werde weder die Konservativen noch die Sozialdemokraten unterstützen. Ein Mitte-Links-Bündnis von PSOE und Podemos kommt möglicherweise nicht auf eine ausreichende Mehrheit - und wäre auch in der Linken sehr umstritten.
Dass eine Mitte-Links-Regierung dennoch »nicht völlig auszuschließen ist«, wird nach den Worten des linken Politologen Lukas Oberndorfer derzeit aber »am Übervater der Sozialdemokratie« deutlich - an dem früheren Regierungschef Felipe González. Dieser werbe nun für eine Große Koalition und mache verbal gegen Podemos Front. »Die Rolle des Juniorpartners der Konservativen wäre für die PSOE mit Sicherheit der letzte Schritt in Richtung Abgrund«, so Oberndorfer. »Doch die Absicherung der herrschenden Verhältnisse in Spanien dürfte González wichtiger sein als das Überleben seiner Partei.« mit Agenturen
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