Keine Angst vor großen Gegnern
Der Aktionskünstler Philipp Fisch vom Peng Collecive über Protestformen, die wenig kosten und viele erreichen
Wann hatten Sie die Idee zu Ihrer Kampagne gegen die Bundeswehr »Machwaszaehlt«?
Am 4. November startete die Bundeswehr ihre 10,6 Millionen teure Werbekampagne bundesweit und ich glaube, am gleichen Tag habe ich hier in Leipzig das erste Plakat gesehen. Ich dachte nur, scheiße, das ist so ekelhaft, so gut und hochprofessionell, aber vor allem manipulativ. Die Bundeswehr präsentiert sich als Arbeitgeber für große Abenteuer, echte Kameradschaft und neueste Technologie. Die Begriffe Tod, töten oder Krieg kommen jedoch überhaupt nicht vor und junge Leute, auf die diese Kampagne zugeschnitten ist, werden in etwas reingezogen, wovon sie sich gar kein richtiges Bild machen können. Darauf mussten wir reagieren.
Welche Vorbereitung steckt in der Webseite?
Erstmal haben wir uns elf Domains gesichert, die so ähnlich klingen wie die der Bundeswehr. Wir mussten eine Webseite bauen und Texte schreiben. Eine Frau von »Bundeswehr raus aus den Schulen« unterstützte uns bei der Recherche der Fakten. Während der zwei Wochen Vorbereitung war ich zwar auch frustriert und dachte: Das wird eh nichts, ist ja nur ’ne Webseite. Manchmal unterschätzt man das aber. An dem Morgen, als die Seite online ging, klingelte nach zwei Stunden das Telefon und hörte bis zum Abend nicht mehr auf. In den sozialen Medien ist es total abgegangen, die Seite wurde an einem Tag über 100 000 Mal geliked und geteilt. Für etwas Arbeit und 100 Euro Kosten gar nicht schlecht.
Ein Gründer des “Peng Collective” ist der Leipziger Web- und Grafikdesigner Philipp Fisch – ein Pseudonym. Der 30-Jährige arbeitete früher in der Werbung, schmiss aber entnervt hin. Nach seiner Elternzeit wird er hauptberuflich bei der Peng-Ausgründung »Agentur für Zivilgesellschaft. Die Populistinnen« arbeiten.
Die Werbeagentur gibt sich gelassen und erklärt, dass mehr Publicity auch für die Bundeswehr gut sei. Glauben Sie das?
Auf keinen Fall. Mehr Publicity als die flächendeckende Werbung mit 30 000 Postern können wir gar nicht leisten. Aber verklagen können sie uns auch schlecht, denn mit dem Slogan »Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst«, haben sie uns eine Steilvorlage geliefert. PR-mäßig würden sie sich mit einer Klage ihr eigenes Grab schaufeln. Mit dem großen Kunden im Rücken äußern sie sich daher wohl lieber so, um nicht völlig ihr Gesicht zu verlieren.
Leute aus der Werbebranche sind nicht gerade bekannt für Politaktivismus. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich war nie bei der Antifa oder Greenpeace. Bei Demos bin ich manchmal mitgelaufen. Aber demokratische Willensbekundungen auf Demos oder durch Petitionen haben sich erschöpft oder erschöpfen sich gerade. Das empfinden viele so. Früher war ich in der Werbung tätig und habe schnell gemerkt, dass es scheiße ist. Werbeagenturen sind fast immer scheiße. Als ich mich selbstständig gemacht habe, suchte ich nach einem Bereich, wo ich das, was ich gerne mache und gut kann, so nutzen kann, dass es Leute zum Nachdenken anregt. Wir waren auf der Suche nach anderen Protestformen. Also haben Paul von Ribbek und ich vor drei Jahren das Peng Collective gegründet. Er hatte die Idee, dass wir hierzulande auch so jemand wie die amerikanischen »The Yes Men« brauchen. Mit einem guten Netzwerk von Freunden und Freundinnen, die tolle Arbeit machen, hatten wir das Bestreben, unsere politische Arbeit zu bündeln und einen Rahmen dafür zu finden.
Ihre letzten Aktionen sind alle immens erfolgreich gewesen. Ging auch mal was schief?
Bei unserer ersten Kampagne »DemocReady« ging es um Lobbyismus. Doch sie wurde kaum gesehen, weil wir sie weder beworben noch die richtigen Kanäle hatten. Ohne Follower bei Twitter und Facebook klappt das nicht. Wir haben einfach die Webseite mit einem Video gelaunched und gehofft, dass das viral wird. Wurde es aber nicht und einen Plan B gab es damals nicht.
Dann kam ziemlich direkt »Slam Shell«, wo Sie bei einer Wissenschaftsveranstaltung von Shell eine Ölkatastrophe nachstellten und dazu aufriefen, sich aus der Arktis zurückzuziehen. Der Durchbruch.
Wir haben uns beim Open Call gemeldet und befürchteten eigentlich, dass Shell nach einem Background-Check merkt, dass wir Fake sind. Aber wir hatten Glück und Shell schlecht gearbeitet. Die Aktion hatte nach ein paar Tagen 100 000 views im Netz. Unsere ausgefeilte »DemocReady«-Kampagne mit vielen Wochen Vorbereitung und einem ausgetüftelten, gut geschnittenen Video ging daneben. Aber bei Shell hat es geklappt, weil es darauf ankam, schnell zu reagieren, eine gute Idee zu haben und ein Thema zu bearbeiten, was den Nerv der Zeit trifft. Shell und ihre Bohrungspläne in der Arktis waren für uns ein Thema, der »Science Slam« eine willkommene Gelegenheit. Wir hätten aber auch BP genommen.
Sie arbeiten oft mit falschen Identitäten. Haben Sie juristischen Ärger nach Ihren Aktionen?
Die meisten versuchen, den Schaden zu begrenzen. Klagen hätte noch mehr schlechte Publicity zur Folge, deswegen tun das die Allerwenigsten. Shell hat es ausgesessen. Nur bei der Google-Nest-Geschichte, wo wir auf der Re:publica 2014 als vermeintliche Google-Mitarbeiter neue Überwachungsprodukte vorgestellt hatten, mussten wir nach langen Beratungen mit der amerikanischen NGO Electronic Frontier Foundation die Seite offline nehmen. In den USA sind Urheber- und Markenrechte viel stärker geschützt, während wir uns in Europa und Deutschland auf Satire innerhalb der Kunstfreiheit berufen können.
Shell hat die Bohrungspläne in der Arktis aufgegeben und die von Ihnen ebenfalls kritisierte Flüchtlingspolitik der CDU hat sich auch verändert. Meinen Sie, Ihre Aktionen hatten darauf einen Einfluss?
Definitiv. Das ist eine These, die das Peng Collective gerne beweisen will. Wir alle können am Diskurs teilnehmen und diesen mitbestimmen. Eigene kreative Maßnahmen kosten dank des Internets nicht viel Geld. Mit ein paar Leuten ist der Aufwand überschaubar und man kann extrem viele Menschen erreichen. Gerade was Legalität und Legitimität angeht, sind wir bisher sehr gut gefahren, keine Angst vor großen Gegnern zu haben.
Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?
Wir sind keine guten Fundraiser. Wir versuchen gerade, ein Mitgliedschaftssystem zu etablieren, bei dem man »Penguin« werden kann. Das läuft so mittelmäßig an. Aber wir haben eine Kulturförderung der Kulturstiftung des Bundes für zwei Jahre erhalten, die an eine Kooperation mit dem Theater Dortmund gekoppelt ist. Dafür haben wir uns namentlich ausgegliedert. Mit »Agentur für Zivilgesellschaft. Die Populistinnen«, deren Auftakt die Anti-Bundeswehrkampagne war, können wir nun Geld für Honorare, Aktionskosten und Material aufbringen und sind darüber sehr froh. Derzeit überlegen wir, wie wir unsere spontanen Aktionen mit dem etablierten, langfristig ausgelegten Theaterbetrieb verbinden können. Das wird eine Herausforderung sein, denn ein Spielplan steht zwölf Monate vorab. Wir müssen nun Aktionen für Sommer und Herbst 2016 planen und werden diese in einen Gesamtrahmen bringen.
Können Sie bereits etwas von Ihren Plänen verraten?
Wir wollen die »Intelexit« Kampagne, den Aussteigerverein für Geheimdienstmitarbeiter*innen, ausbauen. Unter diesem Namen wollen wir gemeinsam mit dem Theater Dortmund arbeiten. Und dann haben wir noch die Idee, dass wir zum Umgang mit Arbeitslosen, zu den Hartz-IV-Gesetzen und Jobcentern, eine Aktion machen wollen. Das ist gerade für Dortmund relevant, da dort die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Unsere »Agentur für Zivilgesellschaft. Die Populistinnen« wird einen stärker partizipativen Ansatz haben, also wirklich sagen: Kommt her mit euren Anfragen. Wir wollen etwas machen, was euch hilft oder auf den Nägeln brennt.
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