Der Dinosaurier mag den Urwald nicht

Waldbesitzer-Lobbyist Philipp Franz zu Guttenberg mit dem Negativpreis 2015 des Naturschutzbundes ausgezeichnet

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob Biodiversitätsrichtlinie oder EU-Naturschutzgesetz - Philipp Franz zu Guttenberg kämpft dagegen. Für ihn ist Wald ein Wirtschaftsfaktor. Dafür wird er nun »ausgezeichnet«.

Dass die Dinosaurier als Vorbild für einen Negativpreis herhalten müssen, ist eigentlich nicht fair. Schließlich sind die Riesenechsen - im Gegensatz zu Menschen - nicht dafür bekannt, ihren Lebensraum verschmutzt, vergiftet und zerstört zu haben. Dennoch »ehrt« der Naturschutzbund Deutschlands (NABU) jeden Dezember eine Person, die sich in Sachen Klima- und Umweltschutz durch besonders rückständiges Denken hervorgetan hat, mit dem »Dinosaurier des Jahres«. Diesmal darf sich Philipp Franz zu Guttenberg den 2,6-Kilo-schweren Brontosaurus ins Wohnzimmer stellen - wenn er ihn denn annimmt.

Ausgezeichnet wurde der kleine Bruder des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg für »seinen erbitterten Widerstand gegen eine natürliche Waldentwicklung und die Lobbyarbeit gegen das EU-Naturschutzrecht«. Zu Guttenberg vertritt als Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) die Interessen von rund zwei Millionen Waldbesitzern in Deutschland - in der Hauptsache die ökonomischen.

Genau das wirft NABU-Präsident Olaf Tschimpke dem deutsch-österreichischen Adelsspross und Waldgroßgrundbesitzer vor: Zu Guttenberg betone nur die wirtschaftliche Komponente der Bäume als Holzlieferanten und vergesse darüber, dass Wälder wichtig für Klima und saubere Luft seien, dass sie eine wichtige Rolle bei der Bodenerneuerung und als Wasserreservoir spielten, als Erholungsgebiet gesellschaftlich bedeutend seien und zudem tausenden Tieren und Pflanzen Lebensräume böten. Das gelte aber nur, solange die Wälder im Einklang mit der Natur bewirtschaftet, nicht mit Pestiziden oder Nitraten verseucht und ein Teil von ihnen ganz von der Nutzung ausgenommen werde, so Tschimpke. »Bis heute hat es Herr zu Guttenberg nicht akzeptiert, dass bis 2020 fünf Prozent der deutschen Wälder dauerhaft ohne forstwirtschaftliche Nutzung sein sollen«, kritisierte er. Dabei seien die vom AGDW vertretenen privaten Waldbesitzer von diesem Ziel der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung praktisch gar nicht betroffen, weil die Fünf-Prozent-Quote nur für öffentliche Wälder verpflichtend sei. Über die Hälfte des bundesdeutschen Waldes gehört dem Staat oder den Kommunen.

Dennoch kämpfe zu Guttenberg massiv gegen die Richtlinie, so Tschimpke. Dabei wäre die Umsetzung auch für private Waldbesitzer eigentlich kein Problem, erklärte Eick von Ruschkowski, Leiter des NABU-Fachbereiches Naturschutz und Umweltpolitik. Ohnehin könnten nur selten 100 Prozent eines Waldes wirtschaftlich genutzt werden, da es oft schwer erreichbare Stellen oder steile Abhänge gebe, wo Forstmaschinen nicht hinkämen.

Von naturbelassenen Wäldern oder gar Urwäldern hält zu Guttenberg aber nicht viel: »In bewirtschafteten Wäldern herrscht mehr Biodiversität«, gab er einmal in einem Interview mit der »Welt« zu Protokoll. Das sehen Umweltverbände anders: Allein 1500 Käferarten seien auf das sogenannte Totholz angewiesen, das in bewirtschafteten Wäldern größtenteils weggeräumt werde, so Tschimpke.

Den Dinosaurier-Preis erhält zu Guttenberg aber nicht nur für seinen massiven Lobbyismus in Deutschland. Auch in Brüssel machte sich der studierte Forstwirt, der mehrere tausend Hektar Wald besitzt, einen Namen als Verfechter lascherer Naturschutzvorgaben. So versuchte er nach Angaben des NABU, »auf vielfältige Weise eine Abschwächung der EU-Vogelschutz- und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu erreichen, die das Fundament der Naturschutzgesetze in allen 28 Mitgliedstaaten bilden«.

Der NABU hofft, dass sich zu Guttenberg bald zu seiner Auszeichnung äußert und vielleicht sogar - wie einige der früheren Preisträger - zu einem öffentlichen Gespräch bereit ist. Immerhin hält der Lobbyist »den deutschen Wald für systemrelevanter als jede Bank«, da sollte jedes Mittel recht sein, das Thema im Bewusstsein zu halten. Hoffnung auf Einsicht macht sich Tschimpke aber nicht: Es habe schon früher Gespräche gegeben - leider ohne Annäherung.

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