Polen: Rücktritt aus Protest gegen Rechtsregime

Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders gehen / Tausende protestieren erneut gegen schleichenden Staatsstreich der PiS-Regierung

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Nach Verabschiedung eines neuen, umstrittenen Mediengesetzes in Polen haben die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP ihren Rücktritt eingereicht. Das berichtete die »Gazeta Wyborcza« am Samstag. Die Fernsehmacher dürften damit ihrer Entlassung zuvorkommen: Nach dem Gesetz, das die rechtskonservative Warschauer Regierung am Donnerstag auch durch die zweite Kammer des polnischen Parlaments gebracht hatte, sollen unter anderem die Mandate der bisherigen Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks verfallen.

Über die Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien soll der Schatzminister und damit die Regierung entscheiden. Gegen das Gesetz, das noch die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda benötigt, gab es bereits Proteste von Menschenrechtsgruppen und Journalistenverbänden. Auch gingen die Polen zu Tausenden auf die Straße - erneut an diesem Samstag.

Katarzyna Janowska, seit vier Jahren an der Spitze des Senders »TVP Kultura«, gab ihren Rücktritt auf ihrer Facebookseite bekannt - mit einem Foto eines Theaterfoyers mit der Aufschrift »Fürchtet Euch nicht«. Mit einem offenen Brief verabschiedete sich auch Tomasz Lis, einer der bekanntesten Journalisten Polens, von den Zuschauern des bisher bei TVP ausgestrahlten Programms »Tomasz Lis na zywo« (Tomasz Lis live), das nun eingestellt wird. »Niemand verschließt den Polen den Mund. Niemand verschließt mir den Mund«, schrieb er und kündigte an, »an anderer Stelle« weiter auf Sendung zu gehen.

Auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), zeigte sich bestürzt über die jüngsten politischen Reformen in Polen. Die Regierung in Warschau stelle »zentrale europäische Prinzipien und Werte zur Debatte«, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Reformen seien »höchst problematisch«. Die Entscheidungen der polnischen Regierung, »die Rechte des Verfassungsgerichts einzuschränken oder in die Unabhängigkeit der Medien einzugreifen, machen sorgenvoll«, so Weber. Der EU-Politiker kündigte an, die europäischen Institutionen würden »die Handlungen der polnischen Regierung genau beobachten«.

Derweil hat am Samstag mit einer fünftägigen Abstimmung im Internet die Wahl des neuen Vorsitzenden der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) begonnen. Einziger Kandidat für das Spitzenamt der größten Oppositionspartei ist der ehemalige Außenminister Grzegorz Schetyna. Sein bisheriger Gegenkandidat, der frühere Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak, hatte vor wenigen Tagen seine Bewerbung zurückgezogen und mit der innenpolitischen Entwicklung begründet.

»Die polnische Demokratie ist in einer kritischen Lage. In dieser Situation ist Einheit gefragt«, sagte Siemoniak über das Vorgehen der neuen nationalkonservativen Regierung von Beata Szydlo. Die Briefwahl des PO-Vorsitzenden dauert noch bis zum 20. Januar, das Wahlergebnis soll voraussichtlich am 24. Januar bekanntgegeben werden. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.