Katalonien: Junts pel Sí und linke CUP bilden Regierung
Unabhängigkeitsbefürworter jubeln: »Es gibt ein Abkommen« / Kompromiss wurde durch Rückzug des bisherigen Ministerpräsidenten Mas möglich / Spanien steht vor Staatskrise
Berlin. Das war knapp - und kam überraschend: Nur wenige Stunden vor Ablauf einer Frist haben sich in Katalonien die Unabhängigkeitsbefürworter auf die Bildung einer Regierung verständigt. Voraussetzung für die Einigung des konservativen Bündnisses Junts pel Sí und der linksradikalen Partei CUP in der nordspanischen Region war der Rückzug des bisherigen Ministerpräsidenten Artur Mas. Dessen Verzicht auf eine erneute Kandidatur war eine der Hauptforderungen der CUP. Hätte es bis Sonntag um Mitternacht keine neue Regierung gegeben, hätten laut Gesetz Neuwahlen organisiert werden müssen.
»Ich habe mich entschieden, zur Seite zu treten und nicht (...) zur Wiederwahl anzutreten«, sagte Mas bei einer Pressekonferenz. Stattdessen werde der Bürgermeister von Girona, Carles Puigdemont, für das Amt des Regionalpräsidenten kandidieren. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, erklärte Mas. Er habe aber den Unabhängigkeitsprozess retten wollen. Puigdemont ist ein gelernter Journalist, der unter anderem 1998 die Katalanische Nachrichten-Agentur mitgegründet und auch die englischsprachige Regionalzeitung »Catalonia Today« geleitet hat. Der 51-Jährige gehört wie Mas der liberalen Demokratischen Konvergenz (CDC) an.
»Großer Erfolg. Es gibt ein Abkommen. Wir haben eine Regierung und Stabilität«, schrieb der Vorsitzende der Vereinigung Katalanische Nationalversammlung, Jordi Sánchez, im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er hatte in den vergangenen Tagen zwischen den beiden Lagern vermittelt.
Die Allianz Junts pel Sí, die wie die CUP die Trennung Kataloniens von Spanien innerhalb der nächsten 18 Monate verwirklichen will, hatte bei der Regionalwahl am 27. September zwar die meisten Sitze im Regionalparlament gewonnen, die absolute Mehrheit aber verpasst. Zum Weiterregieren war die Allianz daher auf die Unterstützung der Linksradikalen angewiesen. Zuvor war der seit 2010 amtierende Mas mehrfach mit dem Versuch gescheitert, sich im Amt bestätigen zu lassen. Die nötigen Stimmen kamen nie zusammen, auch weil die CUP seinen Kürzungskurs ablehnte.
Die Unabhängigkeitsbefürworter stellen seit der Regionalwahl im September die absolute Mehrheit im Parlament. Junts pel Sí und CUP hatten mit ihrer Mehrheit allerdings die Unabhängigkeitsbefürworter im katalanischen Parlament eine Resolution zur Abspaltung von Spanien beschlossen. Das spanische Verfassungsgericht hob den Beschluss Anfang Dezember aber auf und gab damit einer Klage der Zentralregierung in Madrid statt, die eine Abspaltung Kataloniens strikt ablehnt.
Die Unabhängigkeitsbefürworter betonten allerdings, der Prozess zum Aufbau eigener staatlicher Institutionen solle ungeachtet des Neins des Verfassungsgerichts fortgesetzt werden. Im Resolutionsentwurf des Parlaments heißt es, man habe durch den Wahlsieg ein »demokratisches Mandat« für die Trennung von Spanien erhalten.
Die »katalanische Frage« spielt auch bei der Regierungsbildung in Madrid eine zentrale Rolle. Bei der landesweiten Parlamentswahl am 20. Dezember hatte keine Partei und auch keines der politischen Lager eine ausreichende Mehrheit erreicht. Der konservative Regierungschef Mariano Rajoy und die sozialdemokratische PSOE machen sich nun mit ihren jeweils möglichen Koalitionspartnern gegenseitig die Regierungsbildung streitig. An der Frage, ob die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien toleriert wird, könnte auch in Madrid eine Regierungsbildung scheitern. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.