Japans arme Zukunft
Jedes sechste Kind in Nippon leidet unter Mangel
Japan muss sich um seine Zukunft sorgen. In der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt lebt jedes sechste Kind in Armut. Wenn diese Arbeitnehmer der nächsten Generation nicht besser unterstützt werden, drohe der am schnellsten alternden Gesellschaft der Welt ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden, warnen Experten. So entstehe im Laufe des Arbeitslebens der heute 15-Jährigen ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von vier Billionen Yen (31,3 Milliarden Euro), wenn Kinder aus einkommensschwachen Familien nicht bei der Finanzierung ihrer Ausbildung staatlich unterstützt würden, schätzte die Non-Profit-Organisation Nippon Foundation kürzlich in einer von ihr veröffentlichten Studie.
Die Organisation hat errechnet, dass die rund 180 000 Jugendlichen, die heute unterhalb der Armutsgrenze leben, im Laufe ihres Arbeitslebens 2,9 Billionen Yen weniger verdienen werden als Kinder aus besserverdienenden Familien. Dazu verglich die Organisation den Anteil der Oberschul- und Universitätsabsolventen in den verschiedenen Einkommensklassen. Bei den geringverdienenden Familien lag der Anteil der Absolventen höherer Bildungswege deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. Der Einkommensverlust erklärt sich aus dem geringeren Bildungsniveau.
Hinzu kommen Steuerausfälle in Höhe von 1,1 Billionen Yen. Da geringere Einkommen auch Konsumverzicht mit sich führten, sei der volkswirtschaftliche Schaden möglicherweise noch weit höher, so die Autoren der Studie. »Wir müssen die Chancenungleichheit im Bildungssystem beenden«, forderten sie in japanischen Medien.
Bildung ist teuer in Japan. Wer eine gute Schule und später eine renommierte Universität besuchen will, hat kaum eine Chance, wenn er nicht eine der teuren Vorbereitungsschulen besucht, die die Kinder gezielt für die Aufnahmeprüfungen drillen. Ab der Oberschule wird darüber hinaus Schulgeld fällig. Lediglich die Pflichtschuljahre sind kostenfrei - und das auch nur in öffentlichen Schulen. Offiziellen Statistiken zufolge besucht weniger als ein Fünftel der Kinder aus einkommensschwachen Familien eine Universität, während der nationale Durchschnitt bei 51 Prozent liegt.
Nach Angaben des Wohlfahrtsministeriums lebten im Jahr 2012 insgesamt 16,3 Prozent aller Kinder in Armut. Das sind 2,6 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Dies sind weit mehr als in den meisten anderen Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Kooperation (OECD).
Besonders schlimm trifft es die Kinder der 1,2 Millionen alleinerziehenden Mütter des Landes. Mehr als die Hälfte dieser Familien lebt in relativer Armut. Oft gehören die Mütter zu dem ständig wachsenden Heer der Zeit- und Gelegenheitsarbeiter, das bereits heute fast 40 Prozent der Arbeitnehmerschaft ausmacht. Kinder bedeuten auch heute noch häufig das Karriereaus. In einer Umfrage des Gesundheitsministeriums vom vergangenen Herbst gab jede fünfte Frau an, dass ihr nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft gekündigt wurde. Premier Shinzo Abe, der sich Japans wirtschaftliche Erholung nach zwei Jahrzehnten Stagnation auf die Fahnen geschrieben hat, verspricht nun einen Ausbau des Fördersystems.
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