Schweiz nimmt Geflüchteten ihr Geld ab
Asylsuchende dürfen nicht mehr als 1000 Franken mit ins Land nehmen / Minustemperaturen auf dem Balkan erwartet / Österreich erschwert ein Reise für Geflüchtete / Pro Asyl: EU setzt auf Spaltung statt Lösung
Berlin. In der Schweiz müssen Flüchtlinge nach ihrer Einreise alle Vermögenswerte über 1.000 Franken (etwa 914 Euro) an die Behörden abgeben. Die Eidgenossen wenden die Regelung lückenlos an, wie das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehmagazin »10vor10« am Donnerstagabend berichtete. In der Schweiz erlaube das Asylgesetz den Vermögenseinzug ebenso wie in Dänemark. Die Praxis des skandinavischen Landes hatte internationale Proteste ausgelöst.
Das Magazin berichtet von einem syrischen Flüchtling, der bei seiner Einreise knapp 2.387,55 Franken besaß. Der Familienvater kam nach eigenen Angaben in Zürich in eine Polizeikontrolle. Die Beamten hätten ihn festgenommen und 1.380 Franken konfisziert. Einen Restbetrag von 1.007,55 Franken habe er behalten dürfen. Die Beamten hätten ihm eine Quittung ausgestellt, die in dem Beitrag von »10vor10« zu sehen ist.
Zudem hätten die Polizisten zugesagt, dass er das Geld zurückerhalte. Das sei jedoch bis jetzt nicht geschehen. Der Mann wollte anonym bleiben, weil sein Asylverfahren noch laufe. Bei einer Umfrage des Magazins in einem Durchgangsheim erklärten andere Asylbewerber, die Behörden hätten auch ihre Vermögenswerte kontrolliert.
Eine Sprecherin des eidgenössischen Staatssekretariats für Migration bestätigte das Vorgehen. Die Begründung: Die Asylbewerber verursachten Kosten, für die sie aufkommen sollten. Wer innerhalb von sieben Monaten die Schweiz wieder verlasse, bekomme seine Vermögenswerte jedoch zurück.
Derweil haben mehrere europäische Flüchtlingshilfsorganisationen die europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise kritisiert. Sie werfen den Regierungen vor, eher eine Spaltung unter den Staaten voranzutreiben und zu wenig für eine Lösung der Problematik zu unternehmen.
»Im Jahr 2015 haben wir Zäune statt Menschlichkeit, Chaos statt vernünftiger Politik und politischen Egoismus statt Solidarität und Zusammenarbeit gesehen. Wir sind überzeugt, dass das Versagen Europas, Flüchtlinge in einer menschenwürdigen und solidarischen Weise aufzunehmen, die Idee des europäischen Integrationsprozesses in Frage stellt und die fundamentalen europäischen Werte verrät«, heißt es in einer gemeinsamem Erklärung von Pro Asyl, dem Diakonie Flüchtlingsdienst Österreich und vielen weiteren Organisationen aus Zentraleuropa.
Die NGOs werfen den EU-Staaten vor, immer noch nicht genügend für sichere und legale Wege nach Europa zu unternehmen. Als eine Folge dieser Politik nennen sie 3700 Tote im Mittelmeer und äußern ihre Befürchtung, dass diese Zahl auch 2016 dramatisch ansteigen könnte.
Die Flüchtlingsorganisationen fordern die europäischen Staaten dazu auf, »ihre fatale Uneinigkeit in der Asylpolitik zu überwinden. Die Regierungen sollten unverzüglich ein System der schnellen Registrierung und Identifikation errichten, das auch rasche humanitäre Hilfe inkludiert, auch an EU-Außengrenzen.«
Österreich will mehr Flüchtlinge an südlicher Grenze zurückweisen
Als Reaktion auf die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze plant Österreich nun ein vergleichbares Vorgehen an seiner Südgrenze. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärte am Freitag im Ö1-»Morgenjournal«, ab Ende kommender Woche werde die Alpenrepublik nur noch Flüchtlinge mit Ziel Deutschland passieren lassen.
Wer etwa nach Schweden weiterziehen wolle, werde dann bereits an der Grenze zu Slowenien zurückgewiesen. Deutschland schicke seinerseits täglich etwa 200 bis 300 Flüchtlinge nach Österreich zurück, die nicht in der Bundesrepublik Asyl beantragen wollten.
Die Ministerin machte sich erneut für Obergrenzen stark. Sollte die Obergrenze erreicht werden, würden die Flüchtlinge in »Pufferzonen« versorgt. »Sie werden nicht mehr ins Land gelassen.«
Minustemperaturen auf dem Balkan erwartet
Ärzte ohne Grenzen warnt auf Twitter vor der Wiederkehr des Winters. Im Wetterbericht heißt es das in Presevo, einer Stadt an der serbisch-mazedonischen Grenze, kommende Woche bis zu -18 Grad erwrtet werden. Die Ärzte weisen darauf hin, dass sie schon jetzt häufig Erfrierungen behandeln müssen. Und fragen, wie viel schlimmer es noch werden kann.
Grenzkontrollen in Skandinavien bleiben bestehen
Norwegen verlängert seine Grenzkontrollen bis Mitte Februar. Die Anzahl der Flüchtlinge sei bereits »deutlich gesunken«, seit das Land die Passkontrollen eingeführt habe, teilte das norwegische Justizministerium am Freitag in Oslo mit. Die Kontrollen seien aber weiterhin nötig, um die öffentliche Ordnung zu sichern.
Seit dem 26. November werden alle Reisenden, die mit der Fähre aus Dänemark, Schweden und Deutschland ankommen, überprüft. In Zügen und Bussen gibt es stichprobenartige Kontrollen.
Während im November 2015 laut Migrationsbehörde 8170 Menschen Asyl in Norwegen gesucht haben, waren es im Dezember rund 1030. Insgesamt sind 2015 rund 31 150 Asylbewerber in dem Land angekommen. In der ersten Januarwoche wurden 115 Asylbewerber in Norwegen registriert.
Im Dezember hatte Norwegen die Kontrollen schon einmal verlängert. Auch Schweden und Dänemark wollen weiter Pässe von Einreisenden überprüfen, um die Flüchtlingszahlen einzudämmen. Agenturen/nd
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