In dem Geschäft fühlen sich die Großen wohl

Uwe Nestle über die hohen Kosten bei Offshore-Anlagen

  • Lesedauer: 3 Min.
Uwe Nestle vom Forschungsinstitut EnKliP untersuchte in einer Studie für die Linksfraktion im Bundestag jüngst die Folgen der Windenergie vor der Küste für Strompreis und Energiewende. Mit dem Studienautor

Seit Jahren wiederholen Kritiker der Energiewende gebetsmühlenartig, die Ökostromumlage zur Förderung sauberer Energie aus Wind und Sonne belaste die Privathaushalte zu stark. Hat die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) der Großen Koalition im Jahr 2014 den Strom wie versprochen billiger gemacht?

Vor allem 2007 bis 2011 wurden sehr viele der damals sehr teuren Photovoltaikanlagen gebaut. Diese tragen noch heute stark zur hohen EEG-Umlage bei. Aber: So teuer wird es nie wieder. Die Kosten neuer EEG-Anlagen sind seit 2010 massiv gefallen, um mehr als die Hälfte. Dadurch ist der heutige Ökostromausbau deutlich günstiger, zusätzlich werden die Verbraucher also kaum belastet. Das gilt vor allem für den Ausbau des Strombilligmachers Windenergie an Land und der Photovoltaik, die heute fast genauso günstig ist. Beide Technologien erzeugen Strom zu gleichen Preisen wie neue fossile Kraftwerke. Atomkraftwerke wären natürlich noch viel teurer. Diese Kostensenkung fand aber bereits auf Basis des alten EEG statt. Dafür waren weder die Begrenzung des Ausbaus von Wind und Solar noch die Umstellung auf ein vermeintlich marktbasiertes Ausschreibungssystem - beides Maßnahmen dieser Bundesregierung - dafür notwendig.

Warum dann die gestiegenen Strompreise?

Zum einen werden die gesunkenen Börsenstrompreise nur zeitverzögert an den Verbraucher weitergegeben. Zum anderen wurde der Ausbau trotz des neuen EEG im vorigen Jahr wieder spürbar teurer, weil deutlich mehr der heute noch relativ teuren Offshore-Windenergie hinzugebaut wurde. Das war und bleibt allerdings ein Ausnahmejahr, solange die Bundesregierung die Begrenzung bei Offshore-Windenergie nicht weiter lockert. Um die durchschnittliche Vergütung neuer EEG-Anlagen wieder unter zwölf Cent pro Kilowattstunde zu drücken, was das offizielle Ziel der Bundesregierung ist, müsste sie mehr von den günstigen Technologien fördern. Stattdessen wurde der Ausbau hier massiv reduziert. Mit dieser volkswirtschaftlich unsinnigen Begrenzung droht die Große Koalition ihr eigenes Kostenziel zu verfehlen.

Sind das neue EEG und der Offshore-Ausbau also Geschenke an die alten Player der fossilen Energiewirtschaft? Wird die Energiewende jetzt von angestammten Stromkonzernen wie RWE gekapert?

Die Investitionskosten und das Investitionsrisiko bei Offshore-Windenergie sind so hoch, dass kleine Akteure praktisch nicht mitspielen können. In diesem Geschäft fühlen sich die großen Stromversorger wohl. Aber auch andere EEG-Änderungen dieser Bundesregierung spielen eher den Großen in die Hände, etwa die Umstellung auf ein Ausschreibungssystem für Erneuerbare und die Abkehr von der alten Festpreisvergütung. Nicht zuletzt ist das starre Festhalten an der Obergrenze von maximal 45 Prozent Ökostrom am Stromverbrauch im Jahr 2025 natürlich ein Geschenk an die alte Energiewirtschaft. Denn im Umkehrschluss bedeutet das, dass auch 2025 noch 55 Prozent unseres Stroms aus klimaschädlichen Kohle- und Gaskraftwerken kommt. Angesichts der Klimakrise und des anspruchsvollen Pariser Klimaabkommens ist dies ein bemerkenswerter Bestandsschutz für Klimakiller.

Kann die Energiewende durch dezentrale Bürgerenergie an Land überhaupt geschafft werden?

Ökostrom aus Bürgerhand muss nicht teurer sein als Strom von konventionellen Anbietern. Ohne Bürgerenergie hätten wir außerdem ein deutlich größeres Akzeptanzproblem für die Energiewende, vor allem bei Windenergie an Land. Ein schnelles Wachstum von Wind an Land ist ohne Bürgerenergie kaum denkbar. Um also Bürgerenergie weiter zu ermöglichen, brauchen wir mindestens Ausnahmen vom Ausschreibungssystem für Onshore-Anlagen sowie große und kleine Photovoltaikanlagen. Das neue Ausschreibungssystem führt bei den Kleinen zwangsläufig zum zusätzlichen Risiko, nicht zum Zuge zu kommen. Das finanzielle Risiko können viele regionale Bürgerenergieorganisationen nicht schultern, da sie verlorene Ausschreibungen anders als die Großen nicht abfedern können.

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