Chinas Wachstum schrumpft Richtung normal
Schwächster Wirtschaftszuwachs seit 25 Jahren / IWF senkt Prognose für Weltkonjunktur
Chinas Wirtschaft verzeichnete vergangenes Jahr das niedrigste Wachstum seit 25 Jahren. Wie Behörden am Dienstag in Peking mitteilten, erreichte es lediglich 6,9 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte das Wachstum der Wirtschaftsleistung noch 7,4 Prozent betragen. Beobachter sind geteilter Meinung, ob diese Wachstumsverlangsamung ernsthafte Auswirkungen für die Wirtschaft hierzulande haben könnte.
Chinas Staatschef Xi Jinping sprach angesichts der Zahlen von einer »neuen Normalität« und beschrieb die langfristigen Grundlagen der Wirtschaft als »tragfähig«. So war die Abschwächung erwartet worden. Seit Jahren geht Chinas Wirtschaftswachstum kontinuierlich zurück. Im Jahr 2010 betrug es noch 10,4 Prozent. Mit knapp unter sieben Prozent ist es immer noch sehr hoch. Zum Vergleich: Hierzulande legte das Bruttoinlandsprodukt 2015 um 1,7 Prozent zu.
Trotzdem dürfte Chinas Wirtschaft das bestimmende Thema auf dem am Mittwoch in Davos beginnenden Wirtschaftsgipfel sein. »Dieses Jahr wird vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern holprig werden«, erklärte der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Maurice Obstfeld. Seine Organisation korrigierte ihre Prognose für das weltweite Wirtschaftswachstum vom Herbst 2015 um 0,2 Prozent auf vermutlich 3,4 Prozent in 2016 nach unten. Nach Ansicht des IWF ist dabei eines der größten Risiken eine unerwartet starke Abkühlung der Konjunktur in Fernost. Für China erwartet der IWF ein Wachstum von 6,3 Prozent.
Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) senkte seine Konjunkturerwartungen. »Der Beginn des neuen Jahres ist geprägt von den Kapitalmarktturbulenzen in China, die auch zu starken Kursrückgängen am deutschen Aktienmarkt geführt haben«, sagte ZEW-Finanzmarktexperte Sascha Steffen. Wie schon 2015 belaste die Wachstumsschwäche Chinas und anderer wichtiger Schwellenländer den Konjunkturausblick für Deutschland.
Nicht so pessimistisch ist Andrew Watt vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. »China kann nicht immer und ewig um zehn Prozent wachsen«, sagte der Konjunkturexperte gegenüber dem »nd«. Das Wachstum bleibe den offiziellen Zahlen zufolge relativ stabil.
Die Gefahr lauert laut Watt eher in den Finanzmärkten. Chinas private Haushalte und Unternehmen sind hoch verschuldet. Vergangenen Sommer und Anfang des Jahres kam es an Chinas Börsen zu Kursabstürzen, die die Finanzmärkte in Europa und den USA nicht unberührt ließen. Jedoch ist auch da Watt zufolge die Ansteckungsgefahr nicht so groß wie vor der Finanzkrise 2007 in den USA. Schließlich ist das deutsche Finanzsystem nicht so stark mit dem chinesischen wie mit dem US-amerikanischen verbunden.
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