Essener SPD ruft zu »Lichtermarsch« gegen Flüchtlingsheim auf
»Schämt Euch, Genossen«: Empörung über Aufruf im Internet / Ortsvereine wollen gegen »ungerechte Verteilung« von Asylbewerbern protestieren / Kritik auch von Linken und Grünen
Berlin. Ein Aufruf aus Ortsvereinen der Essener SPD zu einem Aufmarsch gegen neue Flüchtlingsunterkünfte unter dem Motto »Genug ist Genug« sorgt für Empörung. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, sagte, wenn die SPD gegen Flüchtlinge mobilisiere, gelte in der Tat »genug ist genug«.
Die Jusos in Essen zeigten sich ebenfalls entsetzt. »Wir haben die Schnauze voll«, hieß es in einer Erklärung auf Facebook. Man frage sich »ernsthaft, ob bei solch polemischen Aufrufen zu Demonstrationen überhaupt verstanden wurde, wofür die SPD steht und welche Grundwerte sie vertritt«. Die »plumpen Aussagen des Aufrufes unterstützen weder die Integrationsarbeit, noch eine gerechte Verteilung von Geflüchteten innerhalb der Stadt Essen«. Stattdessen treibe der Aufruf zu dem Aufmarsch »einen Keil in die Gesellschaft«. Die Jusos riefen zum Boykott des »Lichtermarsches« auf. Man distanziere sie »entschieden von dem Versuch, Verbesserungen auf dem Rücken geflüchteter Menschen und im Windschatten rechter Hetze zu erreichen«.
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, nannte den Fall »ziemlich unfassbar«. Der hessische Grünen-Politiker Daniel Mack reagierte im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: »Das kann doch nicht die Haltung der SPD sein?«
Zumindest für einen Teil der Essener SPD muss die Antwort aber offenbar »doch« lauten: Der Vorsitzende des Ortsvereins Essen-Altenessen, Jürgen Garnitz, erklärte, »mit dem Zuzug weiterer Migranten in die geplanten Massenunterkünfte« seien »die Menschen vor Ort nicht mehr bereit und in der Lage, weitere Integrationsleistungen zu schultern«. Eine »weitere Erhöhung des Migrantenanteils wird auch die bisherigen beachtlichen Leistungen bei der Integration« gefährden, so Garnitz. Die SPD will gegen neue Flüchtlingsunterkünfte deshalb mit einem »Lichtermarsch« protestieren.
Dazu wird unter anderem im Sozialen Netzwerk Facebook aufgerufen - unter dem Motto: »Integration hat Grenzen, der Norden ist voll«. Eine der Reaktionen: »Auch wenn die Verteilung der Flüchtlinge diskussionswürdig ist - ein von der SPD organisierter Fackelzug unter dem Motto ›Der Norden ist voll‹ - das kann nicht Euer Ernst sein. Schämt Euch, Genossen!« Der Vorsitzende der SPD Karnap, Stephan Duda, sagte nach dem Aufkommen von Kritik an der Aktion, es werde »wohl einiges missverstanden. Ich bin selber Ehrenamtler und aktiv in der Flüchtlingshilfe tätig. Ich freue mich wenn ich sehe wie dankbar die Menschen sind. Hier geht es einzig und allein um die geplante Standortauswahl der zukünftigen Unterkünfte und die damit ungerechte Verteilung«. nd
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