Regierungsbildung zum Zweiten

Die Wahlverlierer von den Sozialisten werden in Spanien von links und rechts umgarnt

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
An diesem Mittwoch empfängt Spaniens König Felipe VI. in der zweiten Runde Abgesandte der Parteien, die für eine Regierungsbildung infrage kommen. Eine Einigung zeichnet sich bisher nicht ab.

Es gibt Bewegung, aber keine Einigung. Bislang lehnte die rechtsliberale Ciudadanos eine Koalition mit der rechten Volkspartei PP des amtierenden Premiers Mariano Rajoy wegen der die PP umwabernden Korruptionsskandale ab. Nun teilte Ciudadanos am Montagabend mit, dass sich ihr Chef Albert Rivera und Rajoy in einem Telefonat auf Gespräche über eine mögliche gemeinsame Regierungsagenda geeinigt hätten. Das Problem: Ciudadanos, 40 Sitze, und PP, 123 Sitze, sind auch zusammen noch weit von einer absoluten Mehrheit im 350-Sitze-Parlament entfernt, das am 20. Dezember 2015 neu gewählt wurde. Deswegen umgarnt Rivera die Sozialisten von der PSOE (90 Sitze), um sie für eine Dreierkoalition zu gewinnen.

Wusste Spanien früher schon in der Wahlnacht, wer die kommenden Jahre das Land regiert, ist es dieses Mal anders. Verantwortlich dafür ist, dass das Zweiparteiensystem passé ist, das seit dem Ende der Franco-Diktatur (1939-75) bisher entweder der PP oder der PSOE zumindest eine Minderheitsregierung ermöglichte. Durch die Erfolge von Podemos und Ciudadanos ist eine solche Regierungsbildung dieses Mal außer Reichweite.

Pablo Iglesias, der Chef von Podemos (Wir können es), hat mit einem Paukenschlag zudem die Lage gründlich aufgemischt, als er der PSOE eine von ihrem Parteichef Pedro Sánchez geführte Koalitionsregierung anbot. Diesen Vorschlag machte er zunächst dem König Felipe VI., was Sánchez missbilligend zur Kenntnis nahm.

Ab diesem Mittwoch muss der König die Parteien erneut konsultieren, da die erste Runde zur Regierungsbildung ergebnislos war. Amtsinhaber Rajoy räumte ein, »noch nicht die nötige Unterstützung« zu haben. Nur wenn sich die PSOE enthält, könnte Rajoy eine Minderheitsregierung mit oder ohne Ciudadanos führen.

PSOE-Chef Sánchez könnte indes selbst als Premier mit Hilfe von Podemos regieren. In seiner Partei stößt das auf massiven Widerstand bei Lokalfürsten, die vom früheren Ministerpräsidenten Felipe González (1982-96) mobilisiert werden. Es kursieren Gerüchte, dass der PSOE-Chef beim Treffen der Parteiführung kommenden Sonntag abgesägt werden und durch die mächtige andalusische Regierungschefin Susana Díaz ersetzt werden soll.

Wirkung zeigt der Druck schon. Sánchez lässt sich nun von González beraten und gibt den Gesprächen mit Ciudadanos Vorrang. Wie Rajoy will auch er ein Abkommen mit Rivera. Doch eine Regierung mit Podemos und Ciudadanos ist praktisch unmöglich. Sánchez steht vor einem Dilemma. Das Podemos-Angebot und wie es unterbreitet wurde, hat es verschärft. Denn anders als in Regionen, in denen die Linkspartei PSOE-Regierungen stützt, will Podemos nun eine Koalitionsregierung. Iglesias will Vizepräsident werden und hat den Anspruch auf die Hälfte der Ministerien angemeldet, da die PSOE nur 300 000 Stimmen mehr erhalten habe. Und Podemos fordert explizit ein Ende der Austeritätspolitik.

Die PSOE-Führung nennt das »Erpressung« und »Erniedrigung«. Doch nur dieser Vorschlag bietet ihr eine Chance zu regieren und sichert Sánchez das politische Überleben. Während einige in der Partei es als »Suizid« bezeichnen, mit Podemos zu regieren, halten andere es für »selbstmörderisch«, den konservativen Rajoy zu stützen. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Podemos hat ihr schon die Verantwortung zugeschoben, wenn es zur versprochenen »Regierung des Wandels« nicht kommt und Neuwahlen nötig werden. Nach Umfragen würde dann Podemos zweitstärkste Kraft vor der PSOE.

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