Demokratieschwalbe
Tom Strohschneider sieht in DiEM25 den Versuch, auf linke Schwäche zu antworten
Zu der Initiative von Yanis Varoufakis, eine europaweite Demokratiebewegung ins Leben zu rufen, kann man viele Fragen haben. Etwa: Was soll den Transmissionsriemen bilden, über den der »Willen der Vielen« in die versteinerten Herzen der Institutionen übertragen werden kann? Eine oft gehörte Frage aber, die an das Projekt adressiert wird, klingt schief: Ist wirklich entscheidend, ob hier und wenn ja woher eine Bewegung »gegründet« wird?
Als im vergangenen Jahr Kita-Mitarbeiterinnen und Lokführer streikten, passierte, was meistens bei Arbeitskämpfen passiert - die veröffentlichte Meinung fiel aus einer Ohnmacht (»überzogene Forderungen!«) in die nächste (»alles Egoisten!«). Dass da Journalisten gegen eigene Interessen einem Affen Zucker gaben, der von klassenpolitischen Fragen nichts wissen will, ist das eine. Sie trugen zur Konstruktion eines »Wir« gegen die Streikenden bei, statt zu sagen, was unter der Oberfläche wichtig war.
Das andere ist: Es gelang auch der gesellschaftlichen Linken hierzulande nicht, die Arbeitskämpfe als Teil eines größeren, europäischen Ganzen zu betrachten und also wirksam auf eine höhere politische Stufe zu heben - und das in Zeiten des griechischen Frühlings. Aber genau darum wäre es doch gegangen: Wie in Deutschland Beschäftigte ihre Arbeitskraft veräußern müssen, steht in Zusammenhang mit der Krise in Griechenland, Lohnkämpfe hierzulande sind zugleich auch Teil der Auseinandersetzung um die europäische Krisenpolitik. Dass es 2015 nicht gelungen ist, das deutlicher zu machen, kann erklärt werden: Es gibt zu wenige transnationale Politikansätze, auch auf der gewerkschaftlichen Ebene tritt das gemeinsame Ziel oft hinter Überlegungen zurück, die auf einen nationalen Konkurrenzvorteil hoffen.
Was wäre die Alternative? Natürlich: Man kann soziale Auseinandersetzungen, von denen Bewegungen dann ein Ausdruck sein können, nicht von oben in Gang setzen. Aber auch nicht von unten. So wichtig es ist, was linke Netzwerke wie Blockupy gegen das Regime der Austerität auf die Straße bringen, so wenig ist das schon »Bewegung«. Es ist guter Aktivismus, der aber nur begrenzt »auf die Massen« überspringt.
Ob Varoufakis und sein Projekt andere Reichweiten erzielt? Das Projekt ist nicht nur Resultat richtiger Analyse über das, was in Europa von links getan werden müsste. Das Projekt ist auch Antwort auf die Schwäche der Linken - und zugleich ein Versuch, diese zu überwinden. Klar: Auch eine weitere linke Schwalbe macht noch keinen europäischen Sommer. Aber es gibt keinen Grund, sie schon vor dem Erstflug zu verscheuchen.
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