DiEM25: Der Zerfall Europas muss gestoppt werden
Neue Bewegung beginnt Debatte über Demokratisierung der EU von unten / Warnung vor neuem Nationalismus
Berlin. Es geht um Demokratie, um Flüchtlingspolitik und darum dem Neoliberalismus etwas entgegenzusetzen. Wenn Yanis Varoufakis seine neue pan-europäische Bewegung DiEM25 vorstellt, folgen linke Intellektuelle. Und nicht nur die. Der frühere griechische Finanzminister hat gemeinsam mit Mitstreitern aus ganz Europa eine neue Demokratiebewegung gestartet. Der linke Ökonom will unter dem Dach des Netzwerkes »Democracy in Europe Movement 2025« - kurz: DiEM25 - verschiedene Bewegungen zusammenführen. »Der rasche Zerfall Europas muss gestoppt werden«, sagte Varoufakis am Dienstag in der Berliner Volksbühne. Er warnte vor einem neuen Nationalismus in Europa und einer Situation wie in den 1930er Jahren. Es gehe darum, die Rückkehr zu Nationalstaaten und zu neuen Mauern zu verhindern, sagte Varoufakis auch mit Blick auf die Debatte über den Umgang mit Geflüchteten. Die EU-Institutionen hätten versagt in den vergangenen Monaten. Und jedes EU-Land sei nur auf den eigenen Vorteil bedacht.
In diesem Zusammenhang betonte Daphne Büllesbach vom Verein »European Alternatives«, Europa sei derzeit in zwei Lager gespalten. Auf der einen Seite stünden vorwärtsgewandte progressive Gruppen, ihnen gegenüber nationalistische Kräfte, die die Entwicklung zurückdrehen wollen. »Wir müssen alle Kräfte sammeln, um erstere zu stärken und nach vorne zu bringen«, so Büllesbach.
Die Lösung sei eine Demokratisierung der europäischen Institutionen und mehr Transparenz. Varoufakis betonte, es gehe ihm nicht darum, eine neue Partei aus einem bestimmten Land heraus zu gründen. Vielmehr gehe es um eine grenzüberschreitende Bewegung, die allen demokratischen Kräften offen stehe - Linken, Grünen, Sozialisten und Liberalen. Eine solche pan-europäische Bewegung möge utopisch klingen. Sie müsse aber jetzt angegangen werden. Ziel sei es, Europa zu demokratisieren und die Vorherrschaft des Finanzkapitals zu brechen, erklärten die Initiatoren der neuen Bewegung. Dazu seien eine umfassende Reform der EU-Institutionen und ein verfassungsgebender Prozess von unten notwendig, wie auch aus dem Manifest der DiEM25-Bewegung hervorgeht.
Der kroatische Autor und Philosoph Srecko Horvat betonte, die Bewegung müsse auf eine breite Basis gestellt werden und dabei auch Gruppen umfassen, die bisher kaum Mitspracherecht besitzen, wie etwa Flüchtlingsintiativen. Er betonte, wie wichtig es sei, dass viele Menschen aus Osteuropa gekommen seien. »In vielen europäischen Initiativen, die ich kenne, ist Osteuropa leider sehr unterrepräsentiert. Eine Demokratiebewegung darf sich nicht auf Westeuropa beschränken.«
In der Debatte kommen nicht nur prominente Vertreter zu Wort. Auch viele Menschen aus den Bewegungen wollten ihre Erfahrungen teilen. Mehr als 100 Menschen nehmen an der Auftaktdisskusion teil. Der spanische Journalist Luis Martin ist sich sicher, DiEM25 sei lediglich der erste Schritt, um eine längerfristig Diskussion zu beginnen. Für ihn ist die Kommunikation das zentrale Element von Politik.
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold begrüßte die Initiative, äußerte aber auch Kritik. Der Vorstoß von Varoufakis sei »gut gedacht, aber populistisch gemacht.« Eine zivilgesellschaftliche Bewegung für ein demokratischeres Europa ist begrüßenswert. Das übergeordnete Ziel, die verfehlte Austeritätspolitik durch eine demokratische gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ersetzen, ist richtig. Aber: Varoufakis betreibe populistisches Brüssel-Bashing, wenn er den EU-Institutionen jedwede demokratische Legitimität abspricht, so der Grünen-Politiker.
Die EU müsse demokratischer werden, sie sei aber auch heute schon »keine demokratiefreie Zone«. Giegold nannte die Austeritätspolitik »sozial desaströs und ökonomisch falsch, aber sie wurde von Mehrheiten in den nationalen Parlamenten und im Europaparlament gestützt«. Zum Vorschlag einer verfassungsgebenden Versammlung sagte Giegold, dieser sei »gut, aber in der vorgelegten Form ein Bruch der EU-Verträge. Wir sollten Europa nicht durch Vertragsbruch, sondern mit den vielen Möglichkeiten im Rahmen der Verträge zum Besseren verändern«.
Walter Baier, Kordinator der »Transform! Eeuropean« Netzwerkes, meint, dass die griechische Linke und Bewegungen dringend eine ernsthafte Diskussion bräuchten: »Was mich betrifft, bin ich nicht daran interessiert, SYRIZA anzugreifen. Bewegungen sollten sich bewusst machen: Es war auch unsere Schwäche und Unfähigkeit einen Druck auf unsere Regierungen auszuüben, um das Vorgehen gegen SYRIZA zu stoppen.«
Gleichzeitig sieht er eine große Gefahr von Rechts in Europa. Betont aber gleichzeitig, dass es noch nicht zu spät sei, Kräfte gegen diesen Trend zu mobilisieren. Er schlägt eine Koalition auch mit Grünen und Sozialdemokraten vor. »Wenn wir das tun, können wir erfolgreich sein und Europa zur Demokratie führen.« nd/mit Agenturen
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