New Hampshire: Sanders mit 60 Prozent klar vorn

US-Vorwahlen bei den Demokraten: Ex-Außenministerin Clinton will vor allem bei jungen Menschen aufholen / Rechtsaußen Milliardär Trump bei den Republikanern vorn

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 5 Min.

»Es ist einfach zu spät für die gleiche alte Establishment-Politik und Establishment-Wirtschaft«, mit diesen Worten hat der Linke Bernie Sanders seine Sieg bei den Vorwahlen im Bundesstaat New Hampshire gefeiert. »Die Leute wollen echte Veränderungen.« Nach Auszählung von 89 Prozent der Stimmbezirke kam der Senator bei der Vorwahl der Demokraten auf 60,0 Prozent. Die frühere Außenministerin Hillary Clinton, die den Vorwahlauftakt vor einer Woche in Iowa noch hauchdünn vor Sanders gelegen hatte, lag bei 38,4 Prozent.

Der 74-jährige demokratische Sozialist kommt mit seiner Forderung nach einer gerechteren Einkommensverteilung vor allem bei jungen Wählern gut an. Angesichts des Einflusses reicher Wahlkampfspender in den USA will Sanders eine »politische Revolution« erreichen, um die Demokratie wieder in die Hände der Bevölkerung zu legen, wie er sagt.

Obwohl ein Sanders-Sieg in New Hampshire schon seit einigen Wochen feststand, war der riesige Vorsprung über Clinton, der die Prognosen übertraf, dann doch eine Überraschung. In fast allen demographischen Gruppen lag er weit vor Clinton. Wie schon bei den Caucus-Entscheidungen in Iowa vor einer Woche lag er bei Erst- und Jungwählern und bei Menschen mit den niedrigsten Haushaltseinkommen am weitesten vorne. Clinton gewann in den Wählergruppen der über 67-Jährigen und bei den Besserverdienenden.

Auf seiner Wahlsiegerparty wies Sanders auf die grosse Wahlbeteiligung hin. Nur er könne die demokratischen Wähler zu den Präsidentschaftswahlen ausreichend mobilisieren, um den Republikanern eine Niederlage beizubringen, sagte er. Die Botschaft von New Hampshire sende eine Echo aus »von der Wall Street nach Washington, von Maine bis Kalifornien. Sie lautet: die Regierung unseres großartigen Landes gehört dem Volk und nicht einer Handvoll reicher Wahlspender und ihrer SuperPAC-Frontorganisationen«.

Clinton räumte ihre Niederlage ein und sieht ihren Favoritenstatus zunehmend bröckeln. »Ich weiß, ich habe einiges zu tun, vor allem bei jungen Menschen«, sagte die ehemalige First Lady und gab sich kämpferisch: »Jetzt werden wir diese Kampagne in das ganze Land tragen. Wir werden um jede Stimme in jedem Bundesstaat kämpfen.«

Das Clinton-Team hatte in den Tagen vor den Vorwahlen in New Hampshire die Anti-Sanders-Maschine warmlaufen lassen – aber die geriet schnell ins Stottern. Bill Clinton hatte sich am Sonntag höchstpersönlich in die Bütt geworfen und Sanders mit einer scharfzüngigen Rede Heuchelei und falschen Idealismus vorgeworfen. Aber zu seiner Rede waren nur 300 Zuhörer und ein paar Journalisten erschienen. Die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright und die feministische Ikone Gloria Steinem wollten es gut mit Hillary meinen, indem sie sich über junge Bernie-Sanders-Wählerinnen lustig machten. Albright sagte, für Frauen, die sich ihren Schwestern verweigerten (d.h. Clinton ihre Stimme versagen), sei ein »besonderer Platz in der Hölle reserviert«. Und die feministische US-Ikone Gloria Steinem meinte in einer Talkshow, junge Frauen würden »nur der Jungs wegen« Sanders wählen.

Ein großer Fehler. Auf den folgenden Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien hin werden Albright und Steinem wohl von Clinton bis auf Weiteres stillgelegt werden. Am Morgen nach dem Wahldesaster von New Hampshire wollte das Clinton-Team eine neue »Message«-Strategie diskutieren und etliche Wahlkampfberater austauschen.

Bei den Republikanern holte der rassistische Bewerber Donald Trump den Teilergebnissen zufolge gut 35 Prozent. Der rechte Milliardär zeigte in New Hampshire anders als in Iowa, dass er seinen Vorsprung in Umfragen auch in einen Wahlsieg umwandeln kann. »Wow, so schön«, sagte er vor Anhänger. »Wir werden Amerika wieder so großartig machen, vielleicht großartiger als je zuvor.« Nun werde er auch die nächste Vorwahl in South Carolina gewinnen. Überraschend stark schnitt Ohios Gouverneur John Kasich ab, der mit 15,9 Prozent den zweiten Platz erreichte. Kasich präsentiert sich als gemäßigter Konservativer, der den Haushalt sanieren und die Gräben zwischen den politischen Lagern in Washington zuschütten möchte. »Heute Nacht hat das Licht die Dunkelheit des negativen Wahlkampfes erhellt«, sagte er.

Um den dritten Platz rangen der erzkonservative Senator Ted Cruz mit 11,6 Prozent und Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush mit 11,2 Prozent. Cruz hatte vor einer Woche die erste Vorwahl gewonnen. Die Wählerschaft in New Hampshire gilt allerdings als weniger konservativ als in Iowa. Vor allem die evangelikalen Christen, unter denen der Rechtsaußen Cruz viele Unterstützer hat, spielen hier eine geringere Rolle. Der Senator Marco Rubio lag den Teilergebnissen zufolge bei rund zehn Prozent und musste damit einen Rückschlag hinnehmen. »Es ist meine Schuld«, sagte Rubio mit Blick auf seine schwache Leistung bei der Fernsehdebatte am Wochenende. In Iowa hatte er mit gut 23 Prozent noch den dritten Platz belegt. New Jerseys Gouverneur Chris Christie holte in New Hampshire knapp acht Prozent, die Ex-Managerin Carly Fiorina gut vier Prozent und der frühere Neurochirurg Ben Carson etwa zwei Prozent. Christie erklärte, dass er in seinen Heimatstaat zurückkehren werde, um über eine Fortsetzung seines Wahlkampfes zu entscheiden.

Das Feld bei den Rechten wird sich bald ausdünnen - mit Trump an der Spitze, ist zu befürchten. Die nächsten Ziele auf dem Vorwahlkalender sind die US-Bundesstaaten Nevada und South Carolina. Ob sich Sanders dort gegen Clinton durchsetzt, ist unwahrscheinlich. Mit seinem Sieg in New Hampshire wird er den Schwung, der damit eingehtgeht, zwar mitnehmen und auf Clinton aufschliessen können. Wenn er die gut 30 Prozent, die er in beiden Staaten zurückliegt, in der kurzen Zeit (Nevada am 20. Februar, South Carolina am 27. Februar) gutmachen kann, käme das einer Sensation gleich. Aber Sensationen sind möglich.

Beide Parteien befinden in allen 50 Bundesstaaten über ihre Kandidaten, die im Juli offiziell gekürt werden. Die Präsidentschaftswahl findet am 8. November statt. Präsident Barack Obama von den Demokraten darf nach zwei Amtsperioden nicht erneut antreten. Eine völlig neue Dynamik könnte das Rennen annehmen, wenn der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg seine Gedankenspiele über eine unabhängige Kandidatur in die Realität umsetzen sollte. In der »Financial Times« beschwerte sich der Milliardär kürzlich über das »beunruhigend banale« Niveau des Wahlkampfes. mit Agenturen

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