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Von Union keine Spur

Brüssel und die EU-Staaten scheinen sich in entscheidenden Fragen kaum anzunähern. Ein Vor-Gipfel und hektische Reisen sollten das Ratstreffen retten

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim ersten Treffen im Jahr 2016 haben die EU-Staats- und Regierungschefs gleich wieder schwere Brocken vor sich: Sie müssen die Uneinigkeit zum »Brexit« und in der Flüchtlingsfrage überwinden.

Die Zerrissenheit der Europäischen Union könnte vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel kaum größer sein. Nur bei einem der drei Themen, über die auf dem Gipfel gesprochen werden soll, herrscht anscheinend so große Einigkeit, dass es in der öffentlichen Debatte eigentlich gar nicht erst stattfindet: die Unterstützung der Beschlüsse der Euro-Gruppe. Was da unterstützt werden soll, geht unter und scheint auch gerade niemanden zu interessieren. Zu groß ist das Getöse um die zwei anderen Themen: die Verhandlungen mit Großbritanniens Premierminister David Cameron über Sonderbedingungen, mit denen der Konservative seinen Landsleuten den Verbleib in der Staatengemeinschaft schmackhaft machen möchte, und die Flüchtlingskrise.

Kopflos scheint sich die EU bei der Bewältigung des Zustroms Schutzsuchender zu bewegen, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel als quasi natürliche Leitwölfin - in der Euro- und Griechenland-Krise noch stets im Tandem mit den jeweiligem französischen Staatspräsidenten - der EU ausgefallen ist. Wie ein Sack Flöhe scheinen plötzlich alle EU-Staaten beim Thema Flüchtlinge hin und her zu hüpfen, ihr eigenes Ding drehen zu wollen und sich nichts mehr von Merkel oder gar durch Gemeinschaftsbeschlüsse vorschreiben zu lassen. Besonders extrem ist das Anfang der Woche beim Treffen der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) deutlich geworden, wo von einer »neuen europäischen Verteidigungslinie« und »deutschem Diktat« gesprochen wurde.

Und so wird sich wie schon beim Dezember-Gipfel die »Koalition der Willigen« vor dem offiziellen Gipfel treffen. Vertreter von elf EU-Mitgliedsstaaten wollen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu beraten, wie die Abschottung Europas noch besser vollzogen werden kann. Dabei sein werden auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments.

Denn auch die Brüsseler Institutionen zeigen allein keine Wirkmacht. Juncker war im Oktober am Unwillen der meisten der 28 Mitgliedsstaaten gescheitert, die damals beschlossene Umverteilung von 160 000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland rasch umzusetzen. Gegenüber der »Bild«-Zeitung gab er sich dennoch zuversichtlich, dass sich seine europäische Flüchtlingspolitik durchsetzen und die Geschichte Merkel Recht geben werde.

Der EU-Ratspräsident und Gipfelgastgeber Donald Tusk verschaffte sich dagegen noch kurz vor dem Ratstreffen einen Überblick über die Lage in Griechenland. Zur Debatte über eine mögliche Ausgrenzung des Mittelmeerlandes aus dem Schengen-Raum machte er klar, dass dies »keines unserer Probleme« lösen würde. Doch Tusk will vor allem den Verlust Großbritanniens als EU-Partner vermeiden, den gefürchteten »Brexit«. Anfang Februar hatte er überraschend eine vorläufige Einigung mit Cameron verkündet. Auf alle vier Forderungen des Briten geht die EU in dem Papier ein, über das jetzt in Brüssel beraten werden soll. Größter Knackpunkt ist das geplante Zugeständnis, EU-Mitbürgern die ersten vier Jahre ihres Lebens auf der Insel unter bestimmten Bedingungen Sozialleistungen verweigern zu dürfen.

Tusk feierte seine Einigung mit Cameron zunächst noch als Durchbruch. Doch kurz vor dem Gipfel war der Enthusiasmus neuen Zweifeln gewichen. So absolvierte der Pole in dieser Woche eine hektische Tournee durch viele europäische Hauptstädte, während David Cameron seine Position bei den EU-Institutionen in Brüssel vorbrachte. Die britischen Extrawürste schmecken vielen eben doch nicht, wobei unterschiedliche Akteure unterschiedliche Kritikpunkte haben. Immerhin sind sich alle in Brüssel in einem Punkt einig: Den Austritt Großbritanniens aus der EU will niemand. Schließlich gibt es dafür auch keinen Plan, wie Jean-Claude Juncker am Dienstag erklärte.

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