Grimberg wurde zum Massengrab

Vor 70 Jahren kamen bei Dortmund 408 Bergleute um

  • Helge Toben, Bergkamen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die meisten hatten keine Chance: 466 Kumpel der Frühschicht arbeiteten am 20. Februar 1946 in der Schachtanlage Grimberg 3/4 in Bergkamen-Weddinghofen bei Dortmund (NRW). Gegen 12.05 Uhr entzündete ein Funke ein explosives Luft-Methangas-Gemisch. Auf diese Schlagwetterexplosion folgte eine noch stärkere Kohlenstaubexplosion. Die Druckwelle war so heftig, dass sie durch den 900 Meter tiefen Förderschacht nach oben schlug und über Tage die technischen Anlagen zerstörte. Drei Arbeiter verloren dort ihr Leben. Unter Tage starben mehr als 400 Menschen. Es ist das größte Bergbauunglück der deutschen Geschichte.

Die Rettungsarbeiten waren ein Wettlauf gegen die Zeit. Grubenwehren aus zwölf benachbarten Bergwerken rückten unter großen Schwierigkeiten an. »So kurz nach Kriegsende fehlten Lastwagen, die Rettungsgeräte hätten heranschaffen können. Hinzu kamen schlechte Straßenverhältnisse«, sagt Martin Litzinger, Leiter des Stadtarchivs Bergkamen.

Ausgestattet mit speziellen Sauerstoffgeräten gelangten Rettungstrupps über eine benachbarte Zeche mit einer Verbindung zu Grimberg 3/4 unter Tage in die Nähe der zerstörten Bereiche. Wegen der ausgefallenen Belüftung kam es zu Nachexplosionen. Auch Brände breiteten sich aus. Die Verantwortlichen beschlossen daher schon bald, die Schächte zu verfüllen und die Verbindung zur Nachbarzeche abzudichten. Bei einem letzten Kontrollgang trafen Grubenwehrmänner plötzlich noch auf einen Überlebenden, der von weiteren Verletzten sprach. Die Retter konnten am Abend des 23. Februar noch acht Männer lebend bergen. Danach wurde die Grube verschlossen. Anderthalb Jahre später wurde die Anlage geflutet, um die immer noch andauernden Brände zu löschen.

Erst im Sommer 1952 wurde Schacht 3 erneut abgeteuft. Überreste von weiteren Opfern wurden in den 1950er und 1960er Jahren gefunden und unter einem 1952 errichteten Ehrenmal beigesetzt. 1994 wurde der Schacht stillgelegt. »Es gab kaum eine Familie im Großraum Bergkamen, die nicht in irgendeiner Weise von dem Unglück betroffen war«, sagt Archivar Litzinger.

Doch wie kam es zu dem Unglück mit am Ende 408 Toten? »Sicher ist, dass schon während des Krieges Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden waren«, sagt Litzinger. So habe es auf der Schachtanlage bereits im September 1944 ein schweres Unglück mit 107 Toten gegeben. »Vor allem waren es russische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.« Litzinger verweist auch auf den extrem hohen Methangasanteil der Kohle. Ob auch 1946 Sicherheitsbestimmungen verletzt wurden, wurde trotz monatelangen Untersuchungen nicht geklärt.

Die Bevölkerung in Bergkamen hat das Unglück nicht vergessen. »Es war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Das Bewusstsein ist immer noch sehr hoch. Die Menschen sind berührt und betroffen«, sagt Litzinger. Zur Gedenkfeier am diesjährigen Jahrestag am Ehrenmal werden mehr als 200 Menschen erwartet.

Das Grimberg-Unglück hatte unmittelbare Folgen für das Rettungswesen: Die bisherigen Sauerstoffgeräte der Grubenwehr mit einem Sauerstoffvorrat für zwei Stunden hatten sich auf Grimberg als unzureichend erwiesen. Daher wurden neue Geräte mit einer Einsatzfähigkeit von vier bis acht Stunden entwickelt. Die Untersuchungen nach dem Unglück hatten auch ergeben, dass die meisten Bergleute an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben waren. dpa/nd

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