Aliens und junge Sterne

Neue Erkenntnisse über Kugelsternhaufen sorgen für Überraschungen

  • Dieter B. Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Kugelsternhaufen sind eine interessante Klasse astronomischer Objekte. Einige wenige von ihnen bieten schon durch kleine Fernrohre einen faszinierenden Anblick. Wie der Name bereits verrät, sind sie kugelsymmetrisch aufgebaut im Unterschied zu sogenannten Offenen Sternhaufen wie etwa den Plejaden. Auffallend ist eine starke Konzentration der Sterne in Richtung Zentrum. Sie stehen dort etwa 500 Mal so dicht wie in der Umgebung unserer Sonne. Die Abstände von Stern zu Stern betragen also nicht einige Lichtjahre, sondern nur einige hundertstel Lichtjahre. In unserem Milchstraßensystem (größter Durchmesser rund 100 000 Lichtjahre), kennen wir derzeit etwa 150 Kugelsternhaufen mit einer »Bevölkerung« zwischen 10 000 und zehn Millionen Sternen. Die typischen Durchmesser der Haufen betragen nur 150 Lichtjahre. Gerade aus der großen Sterndichte erklärt sich auch die Kugelform der räumlichen Anordnung, denn es kommt sehr häufig zu Bahnveränderungen der einzelnen Mitglieder.

Ebenso wie unsere Galaxis sind auch die meisten anderen großen Sternsysteme von Kugelsternhaufen umgeben, die sich in einem riesigen kugelförmigen Halo genannten Gebiet um die Galaxie anordnen. Kugelsternhaufen zählen zu den ältesten Objekten des Universums. Da ihre Sterne etwa gleichzeitig entstanden sind, handelt es sich auch bei ihnen um 10 bis 13 Milliarden Jahre alte Objekte. Bislang galt die ausgesprochene »Metallarmut« dieser Sterne als ein weiteres Markenzeichen der Mitglieder von Kugelhaufen. Gemeint ist, dass schwerere Elemente als Wasserstoff und Helium praktisch nicht vorkommen. Man nimmt an, dass die im Inneren der Sterne synthetisierten schwereren Elemente bei Sternexplosionen hinweggefegt wurden und nur die sehr langlebigen masse- und metallarmen Sterne übrig blieben. Für die Entstehung einer neuen Generation von Sternen mit schwereren Elementen fehlte somit der Rohstoff.

Doch nun kommt die Überraschung: Was vor Jahren verschiedentlich vermutet, aber noch nicht hinreichend durch Beobachtungsdaten belegt werden konnte, stimmt offensichtlich. Es gibt auch Kugelsternhaufen, in denen mehrere Generationen von Sternen angesiedelt sind. So berichtet jetzt eine Forschergruppe um Chengyuan Li vom Kavli Institute for Astronomy and Astrophysics Peking im Fachblatt »Nature« (DOI: 10.1038/nature16493), dass in dem Kugelsternhaufen NGC 1783 in der Großen Magellanschen Wolke (LMC), der ein Alter von nur etwa 1,4 Milliarden Jahre aufweist, auch zwei jüngere Sterngenerationen vorkommen, die erst 890 bzw. 490 Millionen Jahre alt sind. Ähnliche Ergebnisse lieferte auch die Untersuchung von zwei weiteren Kugelsternhaufen sowohl in der Großen wie auch in der Kleinen Magellanschen Wolke (SMC).

Bereits 2004 hatten Beobachtungen mit dem Hubble Space Telescope bei »Omega Centauri« Hinweise auf gestaffelte Sternbildungsprozesse geliefert. Der mit bloßem Auge am südlichen Sternhimmel sichtbare Haufen ist von allen der massereichste. Er enthält circa 10 Millionen Sterne und ist 12 Milliarden Jahre alt. In seinem Zentrum befindet sich ein Schwarzes Loch mit 40 000 Sonnenmassen. Auch hier muss es mehrere Sternentstehungsphasen gegeben haben. Die alte Lehrmeinung, Kugelsternhaufen bestünden nur aus einer einzigen Sorte gleichalter Sterne, dürfte damit gefallen sein.

Als Erklärung für diese schubweisen Sterngeburten schlagen die Forscher vor, dass die Kugelhaufen dank ihrer Anziehungskraft Gas und Staub aus der Hauptebene der Galaxie zu sich herüberziehen, zu der sie gehören, und diese dann als Rohstoff für die massenweise spätere Entstehung neuer Sterne dienen. Da sich in den »importierten« Gasen auch schwerere Elemente befinden, entstehen auf diese Weise auch metallreiche Sterne in den Kugelhaufen.

Neuerdings sind Kugelsternhaufen auch unter einem ganz anderen Aspekt spannend geworden. Sie könnten nämlich nach jüngsten Studien durchaus die Heimstatt für intelligente Zivilisationen im Universum sein. Das hatte man bislang wegen der starken gegenseitigen Beeinflussung der dortigen Sterne und entsprechend instabilen Verhältnissen stets ausgeschlossen. Auf dem kürzlichen Jahrestreffen der American Astronomical Society haben Rosanne DiStefano vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Alak Ray vom Tata Institute of Fundamental Research in Mumbai ihre Kollegen mit der Behauptung verblüfft, dass gerade Kugelsternhaufen besonders geeignet für die Entwicklung von Leben sein könnten. Der geringe Metallanteil alter Sterne könne kein ausschlaggebendes Element gegen die Entstehung von lebensfreundlichen Planeten sein. Man habe schließlich bereits Exoplaneten bei extrem metallarmen Sternen entdeckt. Lichtschwache rote Zwergsterne, wie sie das Innere von Kugelhaufen dominieren, könnten von lebensfreundlichen Planeten umgeben sein, die den Zentralstern in sehr geringem Abstand umlaufen, weil sich die habitable Zone wegen der niedrigen Temperatur des Hauptsterns sehr nahe an dem Stern befindet. Für die Entwicklung des Lebens stünde außerdem wegen des hohen Alters der Kugelsternhaufen eine enorme Zeitspanne zur Verfügung. Die Kommunikation solcher Intelligenzen untereinander wäre außerdem viel einfacher als bei uns, weil die benachbarten Sterne »in Reichweite« lägen. Innerhalb von nur zwei Wochen könnten dort Signale ausgetauscht werden, ganz wie die gewöhnliche irdische Briefpost vor 200 Jahren zwischen Europa und Amerika.

Zugegeben, diese neuen Denkansätze bewegen sich noch ganz im Bereich der Spekulation. Unter den zahlreichen Exoplaneten hat man bislang nur einen einzigen in einem Kugelsternhaufen gefunden. Doch auch dafür hat das amerikanisch-indische Forscherteam eine einfache Erklärung: Selbst die nächstgelegenen Kugelsternhaufen seien viel zu weit entfernt und die Entdeckung von Exoplaneten folglich sehr schwierig. Das gerade wieder anlaufende Projekt »Search for Extraterrestrial Intelligence« (SETI) könnte allerdings mit den Radiospiegeln des Allen-Telescope-Arrays in Kalifornien schon bald einige Kugelsternhaufen ins Visier nehmen, um nach ungewöhnlichen Signalen von dort Ausschau zu halten.

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