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Artenschutz als Spleen der Reichen
Ein privater Zoo der Superlative in Indien versorgt sich im internationalen Handel mit geschützten Arten
Ene Besuch im Zoo, oh, oh, oh, oh. Nä, wat is dat schön» – so beginnt eines der bekanntesten Kölner Volkslieder. Für internationale Schlagzeilen sorgt seit geraumer Zeit der Vantara-Zoo im indischen Bundesstaat Gujarat. Vantara – auf Deutsch «Stern des Waldes» – beherbergt laut jüngsten Medienberichten erstaunliche 25 000 Tiere aus 48 Arten. Bemerkenswert ist auch der Standort auf der Anlage der weltgrößten Ölraffinerie des indischen Mischkonzerns Reliance Industries. Gründer des 1214 Hektar großen Zoos ist Anant Ambani, jüngster Sohn von Konzernchef Mukesh Ambani.
Eigenen Angaben zufolge will Vantara vor allem vom Aussterben bedrohte Tierarten als auch aus Gefangenschaft wie Zirkussen oder übervollen Zoos gerettete Tiere halten und pflegen. Bedrohte Arten will man mithilfe von Wissenschaft und Forschung sowie durch Nachzüchtungen erhalten. Dabei beschränkt sich der Zoo nicht auf die an und für sich schon reiche Vielfalt von Säugetieren, Vögeln, Fischen und Reptilien Indiens, sondern importiert Tierarten aus der ganzen Welt. Damit ist schon ein großer Kritikpunkt von Tierschützern angesprochen: Für Tiere aus Afrika oder Südamerika ist das Klima in Gujarat nicht unbedingt geeignet. Da helfen auch Intensivstationen für schwerkranke Tiere, hyperbare Sauerstofftherapie und Swimmingpools für 200 «gerettete» Elefanten in der geradezu luxuriös gestalteten Anlage nicht.
Zweifel bestehen auch an der Zahl von 25 000 Tieren. Nach der Analyse von Zolldaten durch die Tierschutzorganisation Pro Wildlife sowie Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) zusammen mit dem venezolanischen Investigativmedium «Armando Info» wurden 2023 und 2024 zwischen 35 000 und 39 000 Tiere von den beiden zu Vantara gehörenden Einrichtungen Zoologisches Rettungs- und Rehabilitationszentrum Greens, gegründet 2019, und der gemeinnützigen Stiftung zum Schutz von Elefanten Radhe Krishna Temple Elephant Welfare Trust importiert. Darunter waren, so Pro Wildlife, «lebende Raritäten» wie der Spix-Ara sowie 145 Ameisenbären aus Guyana und Venezuela, 2250 Affen verschiedener Arten aus Afrika und Südamerika als auch 364 Großkatzen.
Laut Importdaten, so die «SZ», wurden die Tiere von insgesamt 53 Exporteuren aus 32 Ländern importiert. «Das wichtigste Exportland sind demnach die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE), mehr als 11 000 Tiere gingen von hier nach Vantara, darunter auch vom Aussterben bedrohte Arten, wie etwa 14 Orang-Utans und ein Berggorilla», hieß es in der am 13. März 2025 erschienen «SZ»-Reportage.
Die UAE gelten seit Langem als Drehscheibe für den legalen und illegalen Handel mit exotischen Tieren sowie mit Tierprodukten wie Elfenbein. Jüngste Reformen und Vorschriften sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit Interpol, dem Sekretariat des Artenschutzabkommens CITES und dem Netzwerk zur Überwachung des Wildtierhandels deuten auf ein wachsendes Engagement für den Artenschutz hin.
In seiner Selbstdarstellung versichert der Vantara-Zoo, dass es bei allen Wildtierimporten mit rechten Dingen zugeht. Möglicherweise stimmt das sogar auf der Grundlage indischen Rechts. Berichten indischer Medien zufolge hat die indische Regierung von Premierminister Narendra Modi, ein guter Freund des Ambani-Clans, in jüngerer Vergangenheit durch Gesetzesänderungen die Regel für Wildtierimporte erleichtert. Das Projekt wirbt damit, mit den bekannten Naturschutzorganisationen WWF und der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) zusammenzuarbeiten, die die Rote Liste der bedrohten Arten herausgibt. Eine Anfrage von «nd» an den WWF Indien blieb unbeantwortet. Die IUCN erklärte «nd»: «Wie viele andere Zoos kann sich Vantara auf die Rote Liste bedrohter Arten der IUCN als weltweit umfassendste Informationsquelle zum weltweiten Artenschutz berufen. Das stellt jedoch keine Partnerschaft dar.»
Legaler und illegaler Wildtierhandel ist weltweit ein boomendes Geschäft. Die Grenzen zwischen den beiden Formen sind fließend. «In vielen Fällen ist es schwierig, zwischen legalem und illegalem Handel zu unterscheiden», heißt es in der 2023 im «Journal of Environmental Management» veröffentlichten Studie eines internationalen und interdisziplinären Forscherteams des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels «Determining the sustainabilty of legal wildlife trade».
Legaler und illegaler Wildtierhandel ist weltweit ein boomendes Geschäft.
Arten könnten in ihrem Herkunftsland zum Beispiel geschützt, aber nicht in den CITES-Anhängen aufgeführt sein. Insbesondere der Mangel an Daten über das Exportvolumen von Wildtieren, an Daten über Wildtierpopulationen und an evidenzbasierten Folgenabschätzungen des Handels sei dabei besonders bedenklich. Allzu oft werde legaler Handel automatisch mit nachhaltigem Handel gleichgesetzt, obwohl es an Beweisen fehlt, die das bestätigten. Somit sei der internationale Handel mit diesen Arten in den meisten Einfuhrländern legal, selbst wenn die Tiere illegalen Ursprungs seien.
Die Reporter der «SZ» durften nach einigem Hin und Her in Begleitung von Zoodirektor Vivaan Karani sowie etwa zehn weiteren Mitarbeitern und einer Presserechtsanwältin aus Deutschland den Vantara-Zoo besuchen. Das Fazit der Reporter: «In einem Moment soll die Tour abgebrochen werden, weil man nicht vorab sagen könne, welches Fazit die Recherche haben werde. Dann wiederum soll man unbedingt den Aufenthalt verlängern, um einen noch besseren Eindruck zu bekommen.»
Premierminister Modi eröffnete Anfang März offiziell Vantara in seiner Heimat Gujarat. Modi ließ sich publikumswirksam beim Streicheln von Giraffen und Elefanten und dem Füttern von putzigen Löwenbabys ablichten. Wann der Vantara-Zoo aber der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, ist noch offen. «Ein Besuch im Zoo» war aber schon im März 2024 einer internationalen Promischar vergönnt. Anlass war die opulente Party samt Konzert der Popkönigin Rihanna im Zoo als Teil der viertägigen Hochzeitssause des Tierliebhabers Anant Ambani. Ob die illustren Gäste wie Mark Zuckerberg, Bill Gates, Ivanka Trump, Stars aus Bollywood, königliche Hoheiten aus Bhutan und Katar oder die Popkönigin Rihanna anschließend «Nä, wat is dat schön» seufzten, ist nicht überliefert.
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