Mammufanten aus dem Genlabor

Das Unternehmen Colossal möchte ausgestorbene Arten wieder zum Leben erwecken. Dies soll nun mit dem Schattenwolf gelungen sein

Wissenschaftler untersuchen ein aus dem Permafrost geborgenes Babymammut, dessen Alter auf über 130 000 Jahre geschätzt wird.
Wissenschaftler untersuchen ein aus dem Permafrost geborgenes Babymammut, dessen Alter auf über 130 000 Jahre geschätzt wird.

Das Mammut ist eine Art Wappentier der Befürworter der »Rückausrottung« (de-extinction). Dieser Begriff steht dafür, ausgestorbene Tiere und Pflanzen mithilfe gentechnischer Methoden zurück auf den Planeten zu holen. Verbreitet wird diese Idee seit 2013 vom Ehepaar Stewart Brand und Ryan Phelan und der von ihnen gegründeten Organisation »Revive and Restore«. Brand und Phelan verstehen sich selbst als Umweltschützer und befürworten den Einsatz von Biotechnologien – etwa um ausgestorbene Spezies zurückzuholen. Für die Rückausrottung konnte sich unter anderem der Molekularbiologe George Church, Professor an der Harvard Medical School, begeistern. George Church beschäftigt sich unter anderem mit der genetischen Veränderung von Tieren – etwa um Schweine zu Organspendern für Menschen umzufunktionieren. Und George Church hat es sich zum Steckenpferd gemacht, wieder eine lebendige Version des vor rund 4000 Jahren ausgestorbenen Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) zurück auf die Erde zu bringen.

2021 gründete er zusammen mit Ben Lamm das Biotechnologie-Unternehmen Colossal Sciences, das sich der Rückausrottung mithilfe gentechnischer Methoden verschrieben hat. Außerdem sollen Biotechnologien nach Angaben des Unternehmens auch zum Erhalt noch existierender, aber stark gefährdeter Arten beitragen.

Neben dem Wollhaarmammut nennt Colossal drei weitere Spezies, die es von den Ausgestorbenen zurückholen möchte: den Beutelwolf, auch Tasmanischer Tiger genannt (Thylacinus cynocephalus), den Dodo (Raphus cucullatus), ein flugunfähiger Vogel, der bis zu seinem Aussterben Ende des 17. Jahrhunderts auf der Insel Mauritius heimisch war und den vor etwa 12 000 Jahren ausgestorbenen Schreckenswolf oder Schattenwolf (Aenocyon dirus).

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Die Ausrufung des Schattenwolfs

Letzterer steht, wenn es nach dem Unternehmen Colossal geht, seit Oktober 2024 nicht mehr auf der Wunschliste der wiederzuerschaffenden Tiere, sondern ist mit zunächst zwei und seit Januar 2025 drei lebendigen Exemplaren aktuell auf dem Planeten Erde vertreten. Für die Fachwelt wäre der Schattenwolf damit eine »unausgerottete« Spezies.

Anfang April ließ das Unternehmen verlauten: »Colossal Biosciences, das weltweit einzige Unternehmen, das sich mit der Rückausrottung von Tieren befasst, verkündet heute die Wiedergeburt des einst ausgestorbenen Schattenwolfs, des ersten erfolgreich unausgerotteten Tieres der Welt.« Drei junge Schattenwölfe tummeln sich demnach unter strenger Überwachung an einem geheim gehaltenen Ort.

Die Prozedur, die zur Geburt der drei Tiere geführt hat – und die im Prinzip auch auf das Mammut angewendet werden soll – ist nach Angaben von Colossal die Folgende: Aus 13 000 und 72 000 Jahre alten Fossilien des Schattenwolfs wurde DNA extrahiert und die daraus zusammengesetzte DNA wurde dann mit den Genomen noch lebender verwandter Arten verglichen: Wolf, Schakal, Fuchs und Rothund. Durch diesen Vergleich konnten DNA-Abschnitte identifiziert werden, die spezifisch für den Schattenwolf waren und die etwa für ein helles und dichtes Fell codieren.

Nur 14 von 19 000 Genen verändert

Um den Schattenwolf zu erzeugen, wurden schließlich Genome von heutigen Wölfen (Canis Lupus) editiert, das heißt, bestimmte Abschnitte wurden ausgetauscht – insgesamt 20 Editierungen in 14 verschiedenen Genen – von insgesamt 19 000 Wolfsgenen. Aus den so generierten Zelllinien wurden Klone erzeugt: Das neue Schattenwolf-Erbgut wurde in entkernte Eizellen von Hunden eingebracht und die so erzeugten Embryonen wiederum von Hunde-Leihmüttern ausgetragen.

Auf den Videos, die Colossal präsentiert, sind die Kreaturen als vitale Welpen und Halbwüchsige zu sehen – die sich auf den ersten Blick in die Kategorie der Hundeartigen einordnen lassen. Dass man sie korrekt als unausgerottete Schattenwölfe bezeichnen könnte, daran haben nicht an dem Experiment beteiligte Wissenschaftler erhebliche Zweifel. Ob die Tiere letztlich die Charakteristika von Schattenwölfen – etwa eine größere Statur und kräftigere Kiefer als zeitgenössische Wölfe – entwickeln werden, wird sich erst zeigen, wenn sie ausgewachsen sind.

»Die niedlichen Welpen Romulus, Remus und Khaleesi sind keine Schattenwölfe – sie sind genetisch modifizierte graue Wölfe«, kommentiert der Zoologe Philip Seddon von der University of Otago in Neuseeland, der in der Vergangenheit Ko-Vorsitzender einer Arbeitsgruppe zum Thema Rückausrottung bei der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) war. Nic Rawlence, Direktor des Labors für Paläogenetik an derselben Universität, sieht das ähnlich. »Um etwas rückauszurotten, müsste man es klonen«, erklärt er. »Das Problem ist, dass wir ausgestorbene Tiere nicht klonen können, da die DNA nicht gut genug erhalten ist.« Zwar lässt sich auch aus Fossilien DNA extrahieren, aber zumeist nur kurze Schnipsel. Laut Rawlence sind Wolf und Schattenwolf, deren Abstammungslinien sich vor sechs bis 2,5 Millionen Jahren getrennt hätten, nicht einmal besonders nah miteinander verwandt.

Ein kälteresistenter Elefant

Ähnlich würde sich es wohl mit dem von Colossal zu erschaffenden Mammut verhalten. Selbst auf der Internetseite des Unternehmens heißt es zum Mammut, man wolle einen »kälteresistenten Elefanten mit den biologischen Kernmerkmalen eines Wollhaarmammuts« schaffen. Dazu gehört etwa das dichte Fell – das kürzlich, laut einem Anfang März veröffentlichten Preprint per Geneditierung Versuchsmäusen angezüchtet wurde. Weitere Eigenschaften, die das Mammut kälteresistenter machten als Elefanten, sind etwa kleinere Ohren oder Fettdepots unter der Haut.

Mammut oder kälteresistenter Elefant sollen laut Colossal auf ähnliche Weise entstehen wie der Schattenwolf. In das Genom des Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) würden Genabschnitte des Mammuts eingebracht und aus dieser Zelllinie Embryonen erzeugt, die Elefantenkühe als Leihmütter austragen würden. Und an dieser Stelle wird das Experiment schon etwas heikler als beim Wolf, wo angesichts der Vielzahl großer Hunde auf der Erde kein Mangel an potenziellen Leihmüttern herrscht. Der Asiatische Elefant hingegen ist selbst eine gefährdete Art und das Klonen ist – wie sich bei anderen Spezies gezeigt hat – mit einem hohen Risiko von Fehlbildungen und Fehlgeburten verbunden. Hinzu kommt, dass die Tragezeit bei Asiatischen Elefanten 22 Monate beträgt. Trotz all dieser Hürden erklärte der Colossal-Geschäftsführer Ben Lamm im Oktober 2024 gegenüber der »Daily Mail«: »Wir haben uns einen Zeitplan gesetzt: Ende 2028 sollen die ersten Mammutkälber geboren werden, und wir sind auf dem besten Weg dorthin.«

Angenommen, Lamm behielte mit seiner Prognose recht und am Ende des Prozesses würden gesunde Kälber geboren, wie würden sie jedoch am Ende zu Mammuts sozialisiert? Wachsen diese Kälber mit ihrer Elefantenmutter auf, so werden sie von ihr lernen, sich wie Elefanten zu verhalten. Die Elefantenmutter wiederum ließe sich nicht mit dem Mammutkalb in die Tundra verbringen, weil es ihr dort zu kalt ist. Nic Rawlence hat die Problematik in Bezug auf die jungen »Schattenwölfe« so formuliert: »Wie lernt es (das Jungtier, Anm. d. A.), Schattenwolf zu sein? Momentan ist es ein Wolf, der auf einer Koppel herumrennt. Und existiert das Ökosystem noch, in dem das Tier einst lebte?«

Rettungsplan für den Permafrost

Wozu also braucht die heutige Welt Wollhaarmammuts oder Schattenwölfe? Was das Mammut angeht, so soll es paradoxerweise dazu beitragen, seinen ehemaligen Lebensraum – die Mammutsteppe – neu zu schaffen und damit den Permafrost zu konservieren, der aufgrund der Klimaerwärmung droht, aufzutauen. Große, weidende Tiere hielten die weiten sibirischen Steppen im Pleistozän baumfrei, sodass sich der Boden weniger erwärmte, setzten durch die Beweidung die Nährstoffkreisläufe im Boden in Gang und bewirkten mit ihren Hufen, dass die Kälte tiefer in den Boden drang, wie die Wissenschaftsautorin Britt Wray in ihrem Buch »Das Mammut aus der Tiefkühltruhe« beschreibt.

Im »Pleistozän-Park« in Jakutien versuchen der Wissenschaftler Sergej Zimow und sein Sohn Nikita, den Zustand der Mammutsteppe vor 10 000 Jahren wiederherzustellen, indem sie große Pflanzenfresser wieder ansiedeln und Bäume entfernen. Allerdings gab es wohl dereinst ein Mammut pro Quadratkilometer, dazu noch Moschusochsen, Wollnashörner etc., was sich an der Dichte von Knochenfunden im Boden ableiten lässt. Ob es für den entsprechenden Effekt unbedingt Mammuts braucht, oder einfach nur viele große Weidetiere, sei dahingestellt. Die Betonung liegt in jedem Fall auf viele.

Würde es nun tatsächlich gelingen, einen gentechnisch erzeugten Mammufanten zur Welt zu bringen, wie viele Jahre würde es wohl dauern, bis man eine ausreichend große Population zusammen hätte, die sich in der freien Wildbahn selbstständig aufrechterhalten könnte? Und weiterhin ungelöst bleibt die Frage, wer die Neu-Mammuts sozialisieren sollte: Der Panzer, mit dem die Zimows derzeit immer wieder Bäume im Pleistozän-Park umbrechen, um den Steppencharakter zu erhalten?

Ethikrichtlinien für die Rückausrottung

Angesichts des schnellen Auftauens des Permafrosts erscheint die Rückausrottung des Mammuts doch eine zu langwierige und unsichere Lösung, um diesem Problem zu begegnen. Denn so riskiert man, dass die Mammuts schneller im Matsch versinken, als sie den Permafrost konservieren können.

Ebenfalls unklar bleibt, wo die neuen Schattenwölfe ihre Heimat finden sollen. Schon die Verbreitung der jetzigen Wölfe zieht schließlich immer wieder schnell Diskussionen über deren Abschuss nach sich.

Mit solchen und weiteren Fragestellungen hat sich bereits die von Seddon geleitete Arbeitsgruppe bei der IUCN beschäftigt und im Jahr 2016 Richtlinien zur Rückausrottung herausgegeben. Zu beachten ist demnach unter anderem, ob für die Spezies entsprechende Lebensräume existieren, ob mit einem erneuten Aussterben zu rechnen ist und ob sie wiederum andere Arten negativ beeinträchtigen könnten. Aber auch das Leiden individueller Tiere ist zu vermeiden, etwa das der tierischen Leihmütter. Und die unausgerotteten Tiere selbst sollten nicht zu einem Leben in ewiger Gefangenschaft verdammt sein.

»Existiert das Ökosystem noch, in dem das Tier einst lebte?«

Nic Rawlence Paläontologe
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