Vergiftetes Geschenk

MEINE SICHT

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Beitragsfreie Kitas verspricht der rot-schwarze Senat allen Eltern in Berlin. Die Kindertagesstätten seien Bildungseinrichtungen und Bildung müsse für die Bürger kostenfrei sein, begründen SPD-Fraktionschef Raed Saleh und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ihr Vorhaben, die Beitragsfreiheit auch für unter Dreijährige durchzusetzen.

Was sich zunächst sozialpolitisch richtig und bildungspolitisch vernünftig anhört, ist bei näherer Betrachtung ein vergiftetes Geschenk für alle Beteiligten. Den ärmsten Familien nutzt die Beitragsfreiheit ohnehin nichts - sie sind von der Gebühr eh befreit. Die Mittelschichten werden zwar finanziell entlastet, doch hier gilt: am meisten profitieren von der Gebührenbefreiung die Bezieher höherer Einkommen; sie können sich freuen, dass sie jetzt noch mehr Geld übrig haben für die »individuellen Zusatzbeiträge«, also für Kurse wie etwa Früh-Englisch, mit denen einige Kitas bereits jetzt um finanzkräftige Kundschaft werben.

Die Beitragsfreiheit ist für eine gute Kita-Betreuung unwichtig. Berlin schaffte 2011 als erstes Bundesland die Gebühren für die Betreuung der Vier- bis Sechsjährigen ab. Seitdem hat sich die Kita-Qualität nicht verbessert. Es gäbe für den Senat Wichtigeres zu tun: den Betreuungsschlüssel zu verbessern, der immer noch zu den bundesweit schlechtesten gehört. Oder die Arbeitsbelastung für die Erzieherinnen zu reduzieren. Während beispielsweise in Stuttgart jeder pädagogischen Fachkraft in der Kita acht Stunden Arbeitszeit pro Woche für Verwaltung, Dokumentation, Elternarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Evaluation zur Verfügung stehen, beträgt in Berlin die vertraglich festgeschriebene Arbeitszeit dafür lediglich eine Stunde.

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