Friede den Flüchtenden
Erstmals rufen die beiden großen Dachverbände der Friedensbewegung gemeinsam zu den Ostermärschen auf
»Fluchtursachen bekämpfen - nicht Flüchtende!« Vorrangig unter diesem Motto mobilisiert die Friedensbewegung zu den diesjährigen Ostermärschen. Auf der Agenda stehen aber auch traditionelle Forderungen wie zum Beispiel die Ächtung atomarer Waffen, ihr Abzug aus Deutschland, der Stopp von Rüstungsexporten und Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Anders als noch im vergangenen Jahr spielt der Ukraine-Konflikt keine große Rolle. Bundesweit sind für die Ostertage bislang mehr als 60 Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen angekündigt.
Mit dem Militäreinsatz in Syrien werde Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges zum dritten Mal Kriegspartei, schreiben die Kooperation für den Frieden und der Bundesausschuss Friedensratschlag in ihrem Ostermarschaufruf. »Weltweite Massenflucht und Massenelend im Ergebnis von Krieg und Unterdrückung haben ein erschreckendes Ausmaß erreicht: Krieg ist nicht die Lösung. Krieg ist Terror und die Ursache neuer Konflikte.«
Es ist der erste gemeinsame Appell zu Osteraktionen von den beiden wichtigsten Dachverbänden der Friedensbewegung. Ein weiteres Koordinationsgremium, das Netzwerk Friedenskooperative, stößt in seinem Aufruf inhaltlich in dasselbe Horn: »Die Bundeswehreinsätze im Vorderen Orient oder in Afrika und Waffenlieferungen sind nicht Teil einer Lösung für diese Konflikte. Sie machen Deutschland zu einem Teil des Problems.«
Als erste gehen Ostermarschierer in Potsdam auf die Straße. Bereits am 20. März ist dort unter dem Motto »Für eine friedliche und sozial gerechte Welt« eine Demonstration vom Luisenplatz zum Mahnmal für den unbekannten Deserteur geplant.
»Für eine friedliche und atomkraftfreie Zukunft - Urananreicherung und Waffenexporte sofort stoppen!«, heißt es am 25. März in Gronau. Ziel des Ostermarsches ist die Urananreicherungsanlage in der westfälischen Stadt. Die Fabrik ist seit 1985 in Betrieb und vom deutschen Atomausstieg ausgenommen. Mit angereichertem Uran aus Gronau werden Atomkraftwerke in aller Welt beliefert. Die dort genutzte Zentrifugentechnik erlaubt es im Prinzip, den Anteil des spaltbaren Uran-235 so zu erhöhen, dass es zum Bau von Atombomben taugt.
»Krieg ist Terror! Damit muss Schluss sein«, lautet das Motto beim Berliner Ostermarsch am 26. März. Die Demonstration führt vom Hermannplatz in Neukölln zum Oranienplatz in Kreuzberg. Ebenfalls am 26. März startet in Duisburg der traditionelle dreitägige Ostermarsch Ruhr. Er führt über Essen und Bochum nach Dortmund. In Leipzig ist am selben Tag ein Ostermarsch mit »traditionellem Sichelschmieden, Reden, Musik und Taubenflug« angekündigt.
Die Ostermärsche der Friedensbewegung haben eine fast 60-jährige Tradition. Ihren Ursprung haben sie in Großbritannien, wo 1958 der erste Marsch zum Atomforschungszentrum in Aldermaston stattfand. Den ersten Ostermarsch in der Bundesrepublik gab es 1960 in der Lüneburger Heide. Einige hundert Menschen demonstrierten am Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in Niedersachsen gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und eine Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. Einer der Mitinitiatoren der ersten Ostermärsche in der Bundesrepublik, der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Andreas Buro, starb im Januar im Alter von 87 Jahren.
Die Zahl der Ostermärsche und der Teilnehmer stieg in den folgenden Jahren steil an. Zu Hochzeiten der Friedensbewegung Ende der 1960er sowie während der Nachrüstungsdebatte zu Beginn der 1980er Jahre kamen Hunderttausende zu den Kundgebungen. Danach wurde die Ostermarschbewegung schwächer, sie erlebte wegen der Kriege gegen Jugoslawien und am Golf aber immer wieder zwischenzeitlichen Aufschwung.
Danach zogen die Ostermärsche in der Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg die meisten Teilnehmer an. Den dortigen Truppenübungsplatz hatten die sowjetischen Streitkräfte nach der deutsch-deutschen Vereinigung an die Bundeswehr übergeben. Diese verzichtet nach massenhaften Protesten auch bei den Ostermärschen auf eine Nutzung des Geländes. In den vergangenen Jahren beteiligten sich jeweils einige Tausend Demonstranten an den Aktionen.
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