Kandidatin der Kriegspartei

Für Diana Johnstone wäre die Präsidentin Hillary Clinton der Super-GAU

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Think! It’s not illegal yet.« Diese Einladung (Denke! Noch ist es nicht verboten), als Autoaufkleber eben in Berlin gesehen, würde Autorin Diana Johnstone (81) vermutlich sehr gefallen. Die Arbeit der Amerikanerin aus Minnesota, die russische Regionalwissenschaft studierte, in französischer Literatur promovierte, in der Friedensbewegung engagiert ist, in den 1990er Jahren Pressesprecherin der Grünen im Europaparlament war und lange in Paris lebte, versucht diesem Motto zu folgen. Das gilt - alles in allem - auch für »Die Chaos-Königin. Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbst ernannten Weltmacht«.


Diana Johnstone: Die Chaos-Königin. Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbst ernannten Weltmacht.
A. d. Engl. v. Michael Schiffmann. Westend. 256 S., geb., 19 €.


Das Buch ist keine klassische Biografie. Dieses Feld ist bestellt, u.a. von »Watergate«-Journalist Carl Bernstein. Johnstone setzt sich vielmehr mit einer Politikerin auseinander, die seit Jahrzehnten buchstäblich im Geschäft ist, in dem Washingtons wie der Wall Street. Es ist eine Polemik mit der Frau, die Obamas erste Außenministerin war. Sie kämpft darum, erste US-Präsidentin zu werden, wozu sie zunächst die Nominierung der Demokraten gegen den linken Senator Bernie Sanders gewinnen muss.

Johnstones Tribunal passt in den Wahlkampf, denn es ist nicht nur eine umfänglich recherchierte Arbeit über Clintons Haltungen zu internationalen Brennpunkten. Es ist vor allem ein meinungsdeutliches Buch. Es kommt zu dem gewiss nicht ungeteilten Schluss, dass eine Präsidentin Clinton verhängnisvoll wäre. Die Autorin begründet das mit der Behauptung, Clinton sei spätestens als Außenministerin »zur Lieblingskandidatin der Kriegspartei« in den USA, des Militärisch-Industriellen Komplexes geworden. Mit ihrer »Politik des chaotischen Regimewandels«, die sie im Jugoslawienkrieg, in Libyen und in der Ukrainekrise bezogen habe, sei sie eine Bedrohung, aber: »Das wirkliche Problem sind die Kriegspartei und der Würgegriff, in dem sie die US-Politik hält.«

Durchgängig ist Johnstones Vorwurf an die Adresse der US-Politik und Clintons, in den komplex-komplizierten internationalen Beziehungen keinen Interessenausgleich zu suchen, sondern einseitig, demagogisch und rücksichtslos amerikanische Machtpolitik auszuleben. Dieser Vorwurf hat den Rezensenten nicht in jedem Fall überzeugt, so wie er es für überzogen hält, im Wahlkampf 2016 pauschal zu erklären: »Der Aufstieg Hillary Clintons sollte klarmachen, dass das Festhalten an der Demokratischen Partei als ›kleinerem Übel‹ total gescheitert ist.« Doch die Betrachtungen halten geistreiche Überlegungen bereit.

Auf diesem Raum sei einiges wenigstens angetippt. Beispiel Libyen und Außenministerin Clintons Kurs, der zum Folgechaos beitrug: Johnstone entdämonisiert das Regime Ghaddafi und verweist auf Fakten, die selten den Weg in Kommentarspalten fanden. Beispiel »sexuelle Identitätspolitik«, das »Recht auf Anderssein« und deren Instrumentalisierung durch Politiker wie Clinton: Die Autorin nennt es problematisch, wenn die USA Möglichkeit und Häufigkeit von Schwulenparaden in einem Land quasi zum Alleinmaßstab für dessen Demokratie macht. Sie fügt zu Recht an: »Während in den letzten Jahrzehnten die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und politischen Parteien dahingeschmolzen ist, sind Identitätsgruppen mit jeweils einem einzigen Anliegen gewachsen und gediehen. Der Multikulturalismus lenkt die Aufmerksamkeit von wirtschaftlicher und rechtlicher Gleichheit auf psychologische Haltungen, die schwer zu definieren und unmöglich zu kontrollieren sind.«

Oder das Beispiel einer - mit Clintons Kandidatur aktuellen - ersten US-Präsidentin. Johnstone begründet, wie dürftig für sich gesehen die Plattform »Wählt mich, ich bin eine Frau!« ist und wie wenig die gesellschaftliche Situation von Frauen in einer Gesellschaft davon abhängt, »ob ein Land eine Königin hat oder nicht«. Hier überzeugt, ja glänzt die Autorin, während ihr der Verfasser dieser Zeilen Gleiches etwa bei der Erörterung der Ukrainekrise und der teilweise völkisch anmutenden Wertung zur »Heimkehr der Krim« gar nicht attestieren mag. Doch das ist ein Kapitel für sich.

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