Wenn König Kostendruck regiert
Zwei von drei Krankenhäusern haben ihre Putzkräfte outgesourct
Und noch eine Niederlage für die Stölting-Firmengruppe: Am Dienstag verlor das Dienstleistungsunternehmen zum zweiten Mal binnen weniger Tage ein Gerichtsverfahren gegen die Gewerkschaft IG BAU. Der Gelsenkirchener Putz-, Sicherheits- und Leiharbeitskonzern muss die Anwesenheit eines ihm verhassten Gewerkschaftsfunktionärs erdulden, auch am Arbeitsplatz der Mitarbeiter, im konkreten Fall: in einem Krankenhaus, das von Stölting-Putzfrauen gereinigt wird.
So entschied am Dienstag das Arbeitsgericht Gelsenkirchen. Zwar monierte Richter Rewinkel, dass besagter Funktionär ein Schreiben an die Leitung des Krankenhauses verfasst hatte. Er hätte sich mit seiner Sorge, aufgrund von erhöhtem Zeitdruck könnten Hygienestandards »in weiten Teilen« nicht mehr eingehalten werden, lieber an Medien oder Öffentlichkeit statt exklusiv an den Stölting-Kunden wenden sollen, um, so zumindest des Richters Logik, weniger Staub aufzuwirbeln. In der Sache gab der Jurist der Gewerkschaft recht: Sie darf ihre Arbeit auch vor Ort im Betrieb leisten und dabei auch jenen Funktionär entsenden, der bei der Firmenführung wenig Begeisterung auslöst. Die IG BAU hatte gegen das Hausverbot geklagt. In der letzten Woche hatte sie bereits eine Austrittsprämie gekippt: Stölting bot Beschäftigten 50 Euro an, wenn sie aus der Gewerkschaft austreten.
In der paternalistischen Logik der Firma - früher hätte man wohl von einer »Herr im Haus«-Mentalität gesprochen - galt der halbe Hunderter als »Mitarbeitertreueprämie«. Letztlich sind dies aber nur Scharmützel: Im Kern geht es um den Versuch, einen Betriebsrat in einer Tochterfirma zu gründen. Dies schmeckt der Firmenleitung offenbar nicht, auch wenn Geschäftsführer Sebastian Mosbacher nun vor Gericht beteuerte, die Etablierung der Mitarbeitervertretung nicht »auf Teufel komm raus verhindern« zu wollen. Das Gelächter der Zuschauer war dem Manager gewiss.
Die Stölting-Gruppe ist eine Hausnummer: in Gelsenkirchen, aber auch bundesweit. »Stölting ist für uns ein wichtiges Unternehmen in der Stadt«, kotaut Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) in einem Video auf der Firmenwebseite. Kein Wunder: Der Dienstleister um den illustren Seniorchef Hans Mosbacher, der schon einmal in Doku-Soaps des Privatfernsehens als vermeintliche Putzfrau mit einer Art Putzwedel auf dem Schädel auftritt, trat als Hauptsponsor des Neujahrsempfangs der klammen Stadt in Erscheinung.
Die Lokalpresse lobt den »rasanten Wachstumskurs« der Stölting-Gruppe und schreibt Jubelartikel zur geplanten Verlagerung der aus allen Nähten platzenden Konzernzentrale. Leserbriefschreiber monieren derweil unsoziale Geschäftspraktiken. Die Stölting-Gruppe unterhält Dependancen in Berlin, Düsseldorf, Hannover, Leipzig und anderen Städten. Und ein professionelles Fahrradteam. Und da soll man sich von ein paar Putzfrauen und deren Gewerkschaft vorführen lassen? Juniorchef Sebastian Mosbacher wirkte am Dienstag ehrlich empört über die gewerkschaftliche Interessenvertretung. Die Reinigerinnen beklagen sich, dass sie in drei Stunden eine Putzarbeit leisten sollen, die nur in vier Stunden zu schaffen sei. Nur mit unbezahlten Überstunden könnten sie die Einhaltung der Hygienestandards sicherstellen. Man verfüge halt über innovativere Putzverfahren, kontert das Unternehmen, das indes die nd-Anfrage zu den sauberen Details unbeantwortet lässt.
Die Klage über Arbeitsverdichtung ist branchenüblich. Gegen Mitte der 1990er-Jahre begann der Trend zum Outsourcing von Dienstleistungen im Krankenhausbereich. Waren die Putzfrauen früher meist direkt beim Hospital angestellt, schuften sie nun oft für externe Dienstleister. Rund zwei Drittel aller Krankenhäuser haben Reinigungsdienstleistungen ausgelagert, ergab 2013 eine Umfrage des Deutschen Krankenhaus Instituts.
Auch vier von fünf Wäschereien werden von externen Firmen betrieben. Selbst jeder zehnte Befundbericht wird demgemäß von außerhäuslichen Dienstleistern verfasst, so ergab die Umfrage des Instituts. Das Hauptmotiv für das Outsourcing: Die Krankenhausmanager wollen Personal- und Sachkosten sparen.
Längst müssen zwei Arbeitsgruppen das Thema »Turbo-Putzen« besprechen. Dabei geht es nicht nur um den Arbeitsschutz, sondern auch um mehr Putzeffizienz durch bessere Einarbeitung. So hatten es die IG BAU und die Innung des Gebäudereinigerhandwerks vereinbart. Doch letztlich, so schwant manchem Gewerkschafter, regiert König Kostendruck. Und bei externen Putzfrauen ertrage mancher Krankenhausmanager die Ausbeutung besser als dies bei einer hauseigenen Mitarbeiterin der Fall wäre. Auch das Gewissen wäre demgemäß outgesourct worden.
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