Berlin hat keine Schulplätze für Flüchtlingskinder

Hunderte Kinder aus geflüchteten Familien bleiben unbeschult / Bezirke fordern Hilfe vom Senat

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 3 Min.
Berliner Notunterkünfte sind voll mit Kindern, die nicht in die Schule gehen. Der Senat lässt die Bezirke mit dem Problem allein.

Die allgemeine Schulpflicht ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Derzeit scheint es jedoch massive Probleme zu geben, Kindern aus geflüchteten Familien eine Schulbildung zu gewährleisten. Der Grund: Es gibt keinen Platz.

In mehreren Flüchtlingsunterkünften in Berlin können Hunderte von Kindern derzeit nicht in die Schule gehen, weil für sie keine Plätze in Willkommensklassen zur Verfügung stehen. Die überlasteten Bezirke fordern jetzt Unterstützung vom Senat.

Besonders prekär scheint die Lage in der Notunterkunft des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in der Ruschestraße in Lichtenberg zu sein. Dort sind nach Angaben des DRK von 350 schulpflichtigen Kindern gerade einmal 20 in Willkommensklassen eingeschult, weitere 20 bei einem kirchlichen Träger.

Ähnlich sieht es in der DRK-Notunterkunft Köpenicker Allee in Karlshorst aus. Hier gehen aktuell etwa 70 von über 200 Kindern in die Schule. Für den Pressesprecher des DRK, Rüdiger Kunz, ist dies offenbar schon ein Erfolg - er nennt die Situation in Karlshorst »halbwegs vernünftig«.

Laut der Vorsitzenden des Bezirksschulbeirates, Doreen Kröber, sind es insgesamt sogar 600 unbeschulte Kinder allein in Lichtenberg und Karlshorst, die sich zu gleichen Teilen in den genannten Flüchtlingsunterkünften befinden. Der Grund dafür seien fehlende Räumlichkeiten. »Wir haben schlichtweg keine Gebäude«, so Kröber. In anderen Berliner Notunterkünften sieht die Lage ähnlich aus. Die Bezirke sind laut der Vorsitzenden vollkommen überlastet, da die nötige Infrastruktur für so viele neue Schulkinder schlicht nicht gegeben sei. »Der Senat schiebt das Problem in die Bezirke, ohne dann die Konsequenzen mitzutragen«, meint Kröber. »Wir haben getan, was wir konnten, unsere Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Jetzt ist der Senat am Zug.«

Der Vorschlag des Roten Kreuzes für eine In-House-Beschulung direkt in den Notunterkünften sei beim Senat jedoch gescheitert, sagt DRK-Pressesprecher Kunz. Die Begründung lautet, dass die In-House-Variante der Integration der Flüchtlingskinder im Wege stehe. Diese dürften in den Notunterkünften nicht noch weiter isoliert werden.

Kunz hält den Vorschlag jedoch für sinnvoll, um die Kinder so zumindest vorläufig zu beschulen. Auch Doreen Kröber sieht in der In-House-Beschulung zumindest eine Notlösung.

Ein Vorstandsmitglied des Bezirkselternausschusses Berlin-Lichtenberg, Björn Sacknieß, ist ebenfalls besorgt über die Lage in Berlin: »Aus unserer Sicht ist dieser Zustand nicht tragbar.« Der Senat müsse den Bezirken neben der reinen Unterbringung der Flüchtlinge auch eine entsprechende Ausstattung zur Sicherstellung der Beschulung aller Kinder gewährleisten. »Und das möglichst zeitnah«, meint Sacknieß.

Doch die fehlenden Plätze in Willkommensklassen werden langfristig nicht das einzige Problem bleiben. Auch der Übergang in die Regelklassen in Schulen des Einzugsbereichs könnte schwierig werden. »Gerade in Lichtenberg sind viele Schulen bereits jetzt am Rande der Kapazitätsgrenze angelangt«, so Sacknieß.

In anderen Bezirken gibt es bereits neue Ansätze, ausreichend Schulplätze für Kinder geflüchteter Familien zu schaffen: In Schöneberg soll aus der einstigen Flüchtlingsunterkunft in der Teske-Schule nun ein »Bildungszentrum« nur für Geflüchtete entstehen, in dem 20 Willkommensklassen für 600 Schulkinder aus den Tempelhofer Hangars eingerichtet werden sollen. Inwieweit in dieser reinen »Flüchtlingsschule« jedoch die Integration dieser Kinder gefördert wird, bleibt trotzdem fraglich.

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