Etat-Eckwerte beschlossen - neuer Streit programmiert
Nach 316,9 Milliarden Euro in 2016 sollen die Ausgaben 2017 auf 325,5 Milliarden Euro steigen / SPD setzt Mehrausgaben für Wohnungsbau, Arbeitsmarkt, Integration, Rente und Familienleistungen durch, vermisst aber Investitionen in Bildung und Stadtpolitik
Berlin. Nach der mühsamen Einigung auf die Haushalts-Eckwerte für 2017 und den Finanzplan bis 2020 zeichnet sich neuer Koalitionsstreit über zusätzliche Ausgaben ab. SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel will über das aktuelle »Solidarpaket« hinaus bis zur Bundestagswahl 2017 weitere Investitionen anschieben.
Es fehlten Investitionen in Bildung und »sozial abgehängte Stadtteile« sowie in die wirtschaftliche Modernisierung, mahnt der Wirtschaftsminister in einem Beitrag für den »Tagesspiegel« (Mittwoch). Die SPD-Ministerien pochen auf Nachbesserungen und wollten laut »Rheinischer Post« per Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss die Möglichkeit für Zusatzausgaben offenhalten.
Nach den am Mittwoch im Kabinett gebilligten Plänen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sollen neben zusätzlichen Mitteln in der Flüchtlingskrise vor allem die Ausgaben für Soziales, Arbeitsmarkt sowie das Verteidigungsressort steigen. Trotz der deutlichen Mehrausgaben soll auch in den nächsten Jahren ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden erreicht werden und die »Schwarze Null« durchgängig bis zum Jahr 2020 stehen.
2017 sollen die Ausgaben auf 325,5 Milliarden Euro klettern - nach 316,9 Milliarden Euro in diesem Jahr. Gegenüber der geltenden Finanzplanung schlagen »flüchtlingsbezogene« Ausgaben von rund 10 Milliarden Euro zu Buche. Darin enthalten sind auch die von der SPD durchgesetzten Mehrausgaben für Wohnungsbau, Arbeitsmarkt, Integration und Rente sowie Familienleistungen. Allerdings gehen die tatsächlichen Zusatzausgaben »nur« um etwa 2,35 Milliarden über frühere, ohnehin schon geplante Zusagen hinaus. Die SPD hatte dagegen von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr gesprochen.
Allein der Etat von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) soll im kommenden Jahr um fast 8,8 Milliarden oder 6,8 Prozent auf 138,6 Milliarden Euro steigen. Grund dafür sind auch höhere Ausgaben für Sozialleistungen und Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge, die bald zunehmend als Hartz-IV-Empfänger geführt werden dürften. In den Eckwerten spiegeln sich aber auch die Erhöhung des Wohngeldes, das Elterngeld Plus oder die Lebensleistungsrente wider.
Ein kräftiges Plus gibt es auch für das Verteidigungsressort von Ursula von der Leyen (CDU). Ihr Etat soll 2017 ebenfalls um 6,8 Prozent auf 34,3 Milliarden Euro zulegen. Merkliche Zuwächse sind zudem für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgesehen. In dem kräftigen Etat-Anstieg von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) schlägt sich vor allem die geplante Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus nieder.
Insgesamt sollen die Ausgaben des Bundes nach dem Finanzplan bis 2020 auf 347,8 Milliarden Euro steigen. Um die »Schwarze Null« auch 2018 zu erreichen, mahnt Schäuble Milliarden-Einsparungen an. In diesem und nächsten Jahr kann er ein Finanzpolster von knapp 13 Milliarden Euro nutzen. Insgesamt profitiert Schäuble von den niedrigen Zinsen für Kredite, die noch länger im historischen Tief verharren dürften: Der Etatposten »Bundesschuld« sieht 2017 einen Rückgang auf 20,1 Milliarden Euro vor nach 25,2 Milliarden 2016.
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), hatte zuvor von einem »generationengerechten Haushalt ohne neue Schulden« gesprochen. Die Zusatzmittel für innere Sicherheit, Bundeswehr und Entwicklungszusammenarbeit seien zu begrüßen: »Der Haushalt hat jedenfalls keine soziale Schieflage.« 2017 würden gut 171 Milliarden Euro oder 55 Prozent aller Ausgaben auf Soziales entfallen. »Das dürfte die höchste Sozialleistungsquote im Bundeshaushalt sein, die es je gegeben hat«, sagte Rehberg.
Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler kritisierte, von dem von der SPD groß angekündigten Fünf-Milliarden-Programm blieben am Ende gerade einmal 2,3 Milliarden übrig. »Das sieht mehr nach einem Showprojekt als einem Solidarprojekt aus.« dpa/nd
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