BND missbrauchte Geflüchtete als Informanten
Bundesregierung veröffentlicht Zahlen zur Befragung von Flüchtlingen / Über 1000 Mal sollen Geflüchtete von deutschen Geheimdiensten Asyl erhalten haben
Deutsche Behörden sollen in den Jahren 2000 bis 2013 verstärkt geflüchtete Menschen ausgehorcht haben, die in Deutschland Asyl beantragten. Das berichtet Zeit Online unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf zwei kleine Anfragen der Linkspartei. Daraus geht hervor, dass in den Jahren 2000 bis 2013 dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) offiziell 850 Fälle gemeldet wurden, in denen es »nachrichtlichen Kontakt mit dem BND (Bundesnachrichtendienst, anm. d. Red.) und dem BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz, anm. d. Red.) gegeben hat«.
Zwischen 2000 und 2015 sollen zudem mindestens 1.000 Menschen in Deutschland Asyl erhalten haben, weil sie neben dem BND und BfV auch anderen deutschen Behörden, wie der Bundespolizei (BPOL) oder dem Bundeskriminalamt (BKA), nachrichtendienstliche Erkenntnisse geliefert hätten. Der BND habe in diesen Fällen das Bundesamt für Migration gebeten, den Geflüchteten Asyl zu gewähren, wenn diese als Informanten interessantes Wissen geliefert hätten, da diese Menschen durch den Kontakt zum deutschen Geheimdienst in ihrer Heimat Bestrafung oder Folter erwarten würde, so die Begründung.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass sich der BND in den Jahren 2000 bis 2013 größtenteils für Herkunftsländer des Nahen und Mittlerer Ostens interessierte, sowie bis 2005 für Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme des Baltikums. Auffällig ist außerdem, dass 2005 das Interesse für Afrika und Asien stieg. In diesem Jahr passierten die Bombenanschläge in Scharm al-Scheich, London und Bali.
Eine weitere Abweichung, die bei näherer Betrachtung der Unterlagen ins Auge sticht: Die Bundesregierung listete die Befragungen in zwei Kategorien auf. Zum einen wurden insgesamt 998 Menschen von deutschen Behörden befragt, aber nur für 803 dieser Menschen gibt es Auskunft über deren Herkunftsländer. Nordamerika oder Europa tauchen als Herkunftsländer in dieser Statistik überhaupt nicht auf.
Obwohl nach offiziellen Angaben die Befragungen durch den Bundesnachrichtendienst seit 2013 eingestellt wurden, seien nach Zeit-Recherchen der BND und Verfassungsschutz weiter in Flüchtlingsunterkünften stationiert. So würden »in Einzelfällen anlassbezogene Kontaktaufnahmen mit Asylsuchenden« vom Verfassungsschutz auch nach wie vor durchgeführt werden, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. In den Jahren 2014 und 2015 meldete außerdem der BND dem Bamf acht Kontaktaufnahmen zu Asylsuchenden aus dem Nahen Osten. Die Zahlen zeigen aber auch, dass das Interesse der Geheimdienstler nach 2006 spürbar abnahm.
Bereits 1958 wurde die sogenannte »Hauptstelle für Befragungswesen« (HBW) eingerichtet, die offiziell eine Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes gewesen sein soll. Bis zur Auflösung der HBW im Jahr 2014, bekam die Tarnbehörde vom Bundesamt für Migration in regelmäßigen Abständen eine umfassende Liste von Asylbewerbern, die nachrichtendienstlich interessant sein könnten.
Aus einem »Kriterienkatalog« und dem Mail-Verkehr zwischen HBW und Bamf, der auf dem Online-Nachrichtenblog Netzpolitik.org veröffentlicht wurde, geht hervor, nach welchen Kriterien die Mitarbeiter*innen des Bundesamtes für Migration Geflüchtete weiterleiten sollten. Demnach sei der Katalog »bewusst allgemein gehalten und legt die Interpretation in die Hände der Anwender«, heißt es in der Korrespondenz.
Der bekannteste Fall, in denen der deutsche Geheimdienst Erkenntnisse von geflüchteten Menschen abschöpfte, war der des 1999 nach Deutschland gekommenen »Curveball«, dessen Informationen 2003 den Irakkrieg mit auslösten. Bei seiner Einreise gab »Curveball« an, Experte für chemische Kampfstoffe und Direktor einer Anlage zu deren Herstellung im irakischen Djerf al Nadaf gewesen zu sein. Der BND leitete die Erkenntnisse in der Folge an US-Geheimdienste weiter.
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