3000 Euro Prämie für Entlarvung von Lügnern

Erschlichene Universitätsabschlüsse sind in Serbien Massenware

  • Thomas Brey, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.
Plagiate, Phantom-Diplome und nie absolvierte Studien: In Serbien macht selbst die politische und akademische Spitze mit windigen Zeugnissen Karriere. Die Justiz unternimmt nichts dagegen.

Eine clevere Idee hat die serbische Gemeinde Surdulica gehabt, um die mutmaßlichen Phantom-Diplome zweier örtlicher Spitzenpolitiker zu entlarven: Wer ein Foto aus den Studententagen der beiden auftreibt, soll vom Bürgermeister 3000 Euro Belohnung erhalten. Was manchen vielleicht schmunzeln lässt, reicht als Dauerskandal bis nach oben im Staat: Ein System von Plagiaten und erschlichenen Titeln, gegen die deutsche Fälle wie der von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geradezu lächerlich wirken.

Ausländische Wissenschaftler wiesen Serbiens Innenminister Nebojsa Stefanovic eine erschlichene Doktorarbeit nach. Der Politiker sagte, er habe sich nichts vorzuwerfen. Weil der Minister die rechte Hand des Regierungschefs Aleksandar Vucic ist, erstickte der alle weiteren Untersuchungen mit der Aussage, die Vorwürfe seien «das Dümmste, was ich je gehört habe».

So muss wohl auch Belgrads Bürgermeister Sinisa Mali nichts befürchten, dessen Doktorarbeit «das schlimmste Plagiat ist, das ich je gesehen habe». Das sagte der aus Serbien stammende und an der Wiesbadener Uni für Wirtschaft und Recht lehrende Finanzprofessor Rasa Karapandza . Schließlich seien «ein Drittel oder mehr» der 220 Seiten umfassenden Dissertation abgeschrieben.

Auch gegen den Uniabschluss von Malis Kollegen des Belgrader Stadtbezirks Neu-Belgrad, Aleksandar Sapic, gibt es Plagiatsvorwürfe. Selbst Staatschef Tomislav Nikolic steht im Zwielicht. Vor gut einem Jahr veranstalteten Kritiker vor dessen Amtssitz ein Happening: Sie wollten ihm Phantom-Diplome überreichen. Denn niemand hatte Nikolic bei seinem angeblichen Management-Studium gesehen, hatten Zeitungen herausgefunden.

Die Zahl der Doktortitel explodierte im kleinen Land von 206 (2007) auf 770 fünf Jahre später. «Diplome sind das beste Geschäft», titelte die Zeitung «Novosti». Bei Studiengebühren von mindestens 6000 Euro für drei Jahre und geringen Durchschnittsverdiensten kein Wunder.

Warum geht die Justiz nicht dagegen vor? Es herrsche eine «juristische Fäulnis», weil die Richter von der Regierung abhängig sind, sagte der Richter beim Belgrader Appellationsgericht, Miodrag Majic, dem «Novi Magazin». Stellen für Richter seien «über Jahre mit unqualifizierten, verwandtschaftlichen oder parteipolitischen Kadern» besetzt worden. Die können ihre unverdient erhaltenen Posten nur sichern, wenn sie jeder Regierung bedingungslos dienen«. Und die sagt: Keine Untersuchung der Betrugsfälle im Bildungssystem. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -