Rumäniens mächtigste Frau

Sonderstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi kämpft gegen die Korruption

  • Silviu Mihai, Bukarest
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor ein paar Jahren wurde der Altbau grundsaniert, von außen wirkt er martialisch, wie ein gewaltiger Stilbruch an der Kreuzung zweier Gassen in der bunten Altstadt. Vor dem Zweiten Weltkrieg tagte hier der Generalstab der Armee und die langen, schlichten Flure mit hohen Decken erinnern tatsächlich noch an eine Kaserne. Doch Sonderstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi versichert als Hausherrin, im Keller gebe es keine Kerker. Überhaupt, man sei hier stets um Transparenz bemüht.

Die Schüler, die an diesem Nachmittag die Büros besuchen, haben allerdings Zeichnungen mitgebracht, die Angst machen können. Vogelscheuchen etwa, die mit verbundenen Augen die Waage der Justiz in der Hand halten. Oder Bilder des Heiligen Georg im Kampf gegen den mehrköpfigen Drachen. »Das passt doch gut«, sagt die 43-jährige Staatsanwältin. »Schließlich sind wir hier, um mit dem Verbrechen aufzuräumen.« Dabei wirkt sie sachlich und schlicht, genau wie die endlosen weißen Wände, an denen die Kinderzeichnungen jetzt aufgehängt werden.

Kövesi leitet seit einigen Jahren die DNA, jene Sonderabteilung für die Bekämpfung der Korruption, die kurz vor dem EU-Beitritt Rumäniens auf Druck Brüssels ins Leben gerufen wurde, um dem Filz und der Straflosigkeit in den obersten Etagen der Macht ein Ende zu setzen. Mittlerweile gilt die entschlossene Staatsanwältin selbst als die mächtigste Frau im Lande.

Die Bilanz, die sie vor kurzem vorlegte, kann beeindrucken. Allein 2015 wurden 1250 Personen, darunter ein amtierender Ministerpräsident, fünf Minister und über 20 Abgeordnete angeklagt. Knapp 500 Millionen Euro hat die DNA im vergangenen Jahr beschlagnahmt, »dies entspricht dem Budget für den Bau von Autobahnen bis 2018«, wie Kövesi erklärt. Doch es gebe auch Fragen. »Diese Ergebnisse zwingen uns, eine Debatte über die notwendige Reform des Staates zu initiieren. Ist es gut, dass wir jedes Jahr mehr Angeklagte und Verurteilte haben? Die Antwort muss die Gesellschaft liefern.«

Eigentlich ist das Thema alles andere als neu. Die grassierende Korruption und ihre Bekämpfung begleiten Rumänien spätestens seit der Wende. Selbst für die Zeit davor sind sich die meisten Historiker einig, dass weite Teile der politischen und bürokratischen Eliten - von großbürgerlichen bis staatssozialistischen - ihre Ämter systematisch zur Selbstbereicherung missbrauchten.

Das Phänomen hat Tradition, es war und ist gewissermaßen ein wichtiges Bindeglied der balkanischen Gesellschaften, wie der Bukarester Politologe Daniel Barbu kommentiert. Politiker und Beamten erkaufen ihre Machtpositionen und nutzen sie, um ihre Klientelnetzwerke zu bedienen. Unter dem Strich kommt es zum Durchsickern der Gelder nach unten in einer Art primitiver Umverteilung. Von der strukturellen Korruption profitiert direkt oder indirekt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung: die schlecht bezahlte Ärztin, die ihr Einkommen mit den »Geschenkumschlägen« der Patienten aufrundet, oder der Bauarbeiter, der für die Firma des Bürgermeisters die Dorfstraße repariert.

Spätestens seit dem EU-Beitritt ist es jedoch den meisten Beobachtern klar, dass dieses fast feudale System keine Zukunft mehr hat, weil es die Modernisierung des Landes und seine Integration in die globalisierte Weltwirtschaft nur bedingt ermöglicht. Weniger klar ist allerdings, wie die Gesellschaft umgekrempelt werden soll, ohne eine massive soziale und politische Krise zu verursachen.

Darin liegt das Dilemma, das Staatsanwältin Kövesi anspricht. Denn wird der Dorfbürgermeister, der den Haushalt der Kommune als Selbstbedienungsladen ansieht und seine eigene Firma mit dem Straßenbau beauftragt, endlich festgenommen und verurteilt, so verlieren die Bauarbeiten zunächst ihre Arbeitsplätze und es werden erst einmal keine Straßen mehr gebaut.

»Unsere Aufgabe ist die Bekämpfung der großen Korruption«, sagt Kövesi in ihrem gleichmäßigen und unaufgeregten Ton, der mit den stürmischen medialen Auftritten der rumänischen Politiker stark kontrastiert. »Bei der Prävention und den begleitenden Reformen können wir nur in geringerem Maß mitwirken.« Das soll heißen, dass die Staatsanwaltschaft für die sozialen und politischen Folgen ihrer Aktionen keine Verantwortung übernehmen könne.

Manche ihrer Methoden sind umstritten: Oft wird gegen hochrangige Politiker monatelange Untersuchungshaft angeordnet. Die medienwirksamen Festnahmen durch Spezialeinheiten in voller Montur und das Vorführen in Handschellen sind zu einem täglichen Spektakel geworden, während die Akten weitgehend auf dem Abhören zahlreicher Telefongespräche zwischen den wichtigsten Entscheidern im Land basieren.

All dies sei nötig, glaubt Kövesi. »Wie könnten wir sonst, ohne Untersuchungshaft, verhindern, dass die Verdächtigen ihren Einfluss ausnutzen, um Zeugen zum Schweigen zu bringen oder um Beweise zu vernichten?« Außerdem könne die DNA nur dann ihrer Aufgabe gerecht werden, wenn die Gesellschaft mitmache, was wiederum Vertrauen und eine geschickte Kommunikationsstrategie voraussetze. Sei dies nicht eine Art Politik mit anderen Mitteln? - »Dies ist unsere Mission.«

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