EU-Kommissar Oettinger: »Bargeld stirbt aus«

Möglicher Abschied vom 500-Euro-Schein soll mehr als 500 Millionen kosten / Linke Politiker warnen: Debatte über Ende des Bargelds werde geführt, weil die Zentralbanken nicht mehr weiter wissen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Das Ende von Münzen und Scheinen zur Bezahlung ist nach Ansicht von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger unvermeidlich. »Bargeld stirbt aus: Wir werden mit der Apple-Watch bezahlen, mit dem Smartphone bezahlen«, sagte Oettinger auf einer Veranstaltung des Beratungsunternehmens Deloitte in Stuttgart.

Deutsche seien in Sachen Bezahlungsart zwar »etwas konservativer« als Finnen oder Dänen. Bundesbürger hätten in der Vergangenheit noch lange am Scheck festgehalten, als anderswo die EC-Karte längst Usus gewesen sei. Das Ende der Barzahlungen und die Verlagerung der Transaktionen komplett ins Digitale würden aber kommen, sagte Oettinger. Bargeldloses Bezahlen werde im Zuge der Digitalisierung der Verbrauchergewohnheiten immer selbstverständlicher. Diesem Trend wird nach Auffassung des EU-Kommissars das Bargeld komplett zum Opfer fallen. Wann dies wohl geschieht, ließ er offen.

Derweil warnen linke Politiker, die Debatte über eine Beschränkung oder Abschaffung des Bargeldes habe ein nicht offen ausgesprochenes Ziel: Sie werde »in Wahrheit geführt, weil die Zentralbanken nicht mehr weiter wissen«, schreiben Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine, Italiens früherer Vizewirtschaftsminister Stefane Fassina und der Europaabgeordnete Fabio De Masi in der »FAZ«. Wenn die nächste Finanzkrise komme, und dies stehe nach Ansicht der Autoren des Gastbeitrags fest, stünden die Zentralbanken in Europa am Ende ihres Lateins. »Auch negative Zinsen auf die Guthaben der Banken bei der EZB haben diese nicht veranlasst, mehr Kredite zu vergeben, da es an Investitionsbereitschaft der Unternehmen fehlt. Daher sollen die EU-Bürger nun gezwungen werden, ihr Geld bei den Banken zu parken statt unter dem Kopfkissen zu horten. Die Banken könnten so die Strafzinsen an die Kunden weiterreichen und diese zum Konsum zwingen.«

Abschaffung von 500-Euro-Scheinen kostet Millionen

Der CDU-Politiker Oettinger sprach sich derweil aber gegen die von der Europäischen Zentralbank (EZB) erwogene Abschaffung des 500-Euro-Scheins aus. Anstatt regulatorisch einzugreifen, sollte man dies dem Markt und der absehbar sinkenden Nachfrage überlassen. »Mein Rat ist: Schafft den 500-Euro-Schein nicht ab, haltet am Bargeld fest - der Markt macht es«, sagte Oettinger.

Ein möglicher Abschied vom 500-Euro-Schein könnte einem Bericht zufolge teuer werden. Nach Informationen der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« würde eine Abschaffung der größten Euro-Banknote im günstigsten Fall weit mehr als 500 Millionen Euro kosten. Das zeigten Schätzungen der Fachleute der nationalen Notenbanken und der Europäischen Zentralbank, die derzeit Einzelheiten einer möglichen Abschaffung des 500er berieten. Die EZB erklärte am Freitag auf Anfrage, die möglichen Kosten könnten erst geschätzt werden, wenn über alle Details entschieden sei. Bis jetzt sei noch keine Entscheidung gefallen.

Dem Bericht zufolge geht es vor allem um den Druck alternativer Scheine. Wenn die größte der insgesamt sieben Euro-Banknoten nicht mehr zur Verfügung stünde, müssten die bislang kursierenden 600 Millionen 500er in kleinere Noten umgetauscht werden. Dafür müssten mehrere Milliarden neue Scheine in recht kurzer Zeit gedruckt werden. Dafür würden im günstigsten Fall mehr als 500 Millionen Euro einkalkuliert. Hinzu kämen Kosten für die Logistik des Umtausches. Die Kosten müssten die einzelnen nationalen Notenbanken tragen, die Banknoten im Auftrag der EZB drucken. Auf die Deutsche Bundesbank käme etwa ein Viertel zu.

EZB-Präsidenten Mario Draghi hatte jüngst darauf hingewiesen, dass der 500er für kriminelle Zwecke genutzt werde: »Der 500-Euro-Schein ist ein Instrument für illegale Aktivitäten.« Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bezweifelte zuletzt aber, ob mit einer Abschaffung kriminelle Machenschaften eingedämmt werden können. Über die Zukunft des 500ers muss im EZB-Rat entschieden werden. Im obersten Entscheidungsgremium der EZB sitzen die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums sowie die Chefs der 19 nationalen Notenbanken der Eurozone. Agenturen/nd

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