Dreieinigkeit über Berg-Karabach

Russland will die Zusammenarbeit im Kaukasus mit Aserbaidshan und Iran vertiefen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die knapp eine Woche geltende Waffenruhe in der Kaukasusregion Berg-Karabach wurde bereits mehrfach gebrochen. Russland versucht nun, mit Hilfe Irans die Friedensverhandlungen voranzubringen.

Ein eingefrorener Konflikt sei besser als Blutvergießen zu dessen Lösung. Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew zeigte sich mit Blick auf die am Mittwoch voriger Woche in Kraft getretene Waffenruhe für Berg-Karabach von seiner pragmatischen Seite. Moskau hatte die Vereinbarung für die zu Aserbaidshan gehörende, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region, im Alleingang vermittelt - anders als beim Waffenstillstand, mit dem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 1994 das sechsjährige Blutvergießen beendete.

Zu den Bemühungen der Föderation gehörte die Entsendung gleich zweier hochkarätiger russischer Löschtrupps in den Südkaukasus: Medwedew und Außenminister Sergei Lawrow. Letzterer traf allerdings nicht nur seine Amtskollegen zu getrennten Gesprächen, sondern in Baku auch Irans Außenamtschef Mohammad Jawad Zarif. Sie bereiteten einen Dreiergipfel auf Ebene der Staatschefs vor, der die »historische Chance« biete, eine »neue Seite der regionalen Zusammenarbeit aufzuschlagen«, hieß es.

Der Karabach-Konflikt, der ursprünglich gar nicht auf der Agenda stand, wirke dabei als Katalysator, glauben Beobachter wie Wladimir Scharichin vom Moskauer GUS-Institut. Russland wolle den mit der Waffenruhe erzielten Erfolg festigen und mit Beteiligung Irans Bewegung in die Friedensverhandlungen um Berg-Karabach bringen, die wegen einander ausschließender Forderungen beider Seiten und rivalisierender Interessen der Vermittler seit mehr als 20 Jahren auf der Stelle treten.

»Zu wichtiger Zeit am richtigen Ort«, titelte die überregionale Zeitung »Kommersant« in Anspielung auf einen sich abzeichnenden Seitenwechsel Moskaus, dessen Empathie bisher eher dem verbündeten Armenien galt. Jetzt biete Russland Aserbaidshans Präsidenten Ilham Alijew, der sich gegenüber Lawrow extrem unzufrieden über das ineffiziente Krisenmanagement der OSZE äußerte, ein Paketgeschäft an: Kompromissbereitschaft gegen Wirtschaftskooperation in Energiefragen und bei ambitionierten Verkehrsprojekten wie dem »Nord-Süd-Korridor«. Gemeint ist eine über Aserbaidshan führende Bahnlinie von Russland zum Persischen Golf.

Das Projekt hat indes Sollbruchstellen. Aserbaidschan war lange Teil Persiens. Süd-Aserbaidshan, wo zwei Drittel der Aseri leben, ist es noch heute und hat keinerlei Autonomie. Iran und die Republik Aserbaidshan streiten sich zudem um Öl- und Gasvorkommen in der Kaspi-See.

Auch Moskaus Verhältnis zu Teheran ist nicht ungetrübt. Nach dem Fall westlicher Sanktionen gegen Iran liefern sich beide einen beinharten Verdrängungswettbewerb bei Energieexporten. Dazu kommen konkurrierende Interessen in Syrien und Irak. Mit umfassender Wirtschaftskooperation würde Russland den schwierigen Partner jedoch auch politisch zunächst enger an sich binden. Und zugleich Chinas Expansion in die Kaspi-Region stoppen. Pekings »neue Seidenstraße« konkurriert mit Russlands Nord-Süd-Korridor.

Gemeinsam hätten Moskau und Teheran auch gute Chancen, die dritte und von beiden ungeliebte regionale Großmacht im Südkaukasus auszubremsen: die Türkei. Armenien, Verbündeter Russlands und Freund Irans, könnte den »Verrat« beider zwar durch Normalisierung seiner Beziehungen zur Türkei neutralisieren. Doch das ist aufgrund des historisch belasteten Verhältnisses derzeit nur eine theoretische Option.

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