Druck auf NRW-Justiz wächst

Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe von 2010 starten Online-Petition

  • Lesedauer: 3 Min.
Die strafrechtliche Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe von 2010 durch das Landgericht Duisburg ist gescheitert. Aber noch ist das letzte Wort im Streit der Juristen nicht gesprochen.

Duisburg. Nach der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens zur Duisburger Loveparade-Katastrophe haben Hinterbliebene eine Petition im Internet gestartet. Damit solle der Druck auf die Justiz für eine Wiederaufnahme des Verfahrens erhöht werden, teilten die Opferanwälte der Kanzlei »Baum, Reiter & Collegen« in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf mit. Durch die Petition auf der Plattform change.org sollten die Richter des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf darauf aufmerksam gemacht werden, dass neben den direkt Betroffenen auch eine größere Öffentlichkeit die Aufklärung der Katastrophe mit 21 Toten in einem Strafverfahren für angebracht halte, erklärten die Anwälte. Bis Mittwochmittag hatten bereits mehr als 40 000 Menschen unterschrieben.

Das Duisburger Landgericht hatte in der vergangenen Woche die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen zehn Beschuldigte zurückgewiesen und die Hauptverfahren nicht eröffnet. Dagegen legten Staatsanwaltschaft und Opferanwälte sofortige Beschwerde ein, über die nun als letzte Instanz das OLG Düsseldorf entscheiden muss.

In der Internet-Petition schreibt die Mutter eines bei dem Loveparade-Unglück getöteten jungen Manns an die Düsseldorfer Richter: »Im Namen meines verunglückten Sohnes Christian und der anderen 20 Verstorbenen sowie der 652 Verletzten bitte ich Sie, das Hauptverfahren gegen die Verantwortlichen der Katastrophe zu eröffnen.« Ohne einen Strafprozess werde es keine lückenlose Aufklärung der Umstände geben: »Nicht nur wir Betroffenen erwarten von der Justiz, dass Verantwortungslosigkeit zur Rechenschaft gezogen wird.«

Bei der Duisburger Loveparade am 24. Juli 2010 waren in einem Gedränge am Zugangsbereich des Veranstaltungsgeländes 21 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft erhob vor gut zwei Jahren Anklage gegen insgesamt zehn Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Loveparade-Veranstalters. Das Duisburger Landgericht wies diese Anklage jedoch am Dienstag vergangener Woche als unzureichend zurück.

In einer am Dienstag von der Stiftung »Duisburg 24.7.2010« veröffentlichten Stellungnahme von Hinterbliebenen und Betroffenen wird eine politische Aufklärung des Unglücks gefordert. Sollte auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Eröffnung eines Strafprozesses ablehnen, müsse die NRW-Landesregierung ein unabhängiges Gremium zur politischen Aufarbeitung einsetzen, heißt es. »Es kann und darf nicht sein, dass die Eltern und Betroffenen, aber auch die Öffentlichkeit ohne Antwort bleiben und das juristische Urteil der Nichtzulassung das letzte Wort behält.« Die Entscheidung des Landgerichts Duisburg habe erneut die Wunden aufgerissen, die bisher nicht heilen konnten, erklärte die Stiftung, die 2015 zur Unterstützung von Betroffenen gegründet wurde. Der Anwalt von rund 100 Opfern der Duisburger Loveparade-Katastrophe, Gerhart Baum, forderte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf, nach dem vorläufigen Aus für einen Strafprozess politisch aktiv zu werden. Im WDR-Radio appellierte der frühere Bundesinnenminister an die Politikerin, sich für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Loveparade-Katastrophe stark zu machen. Das Thema sollte auch das Landesparlament als ganzes beschäftigen, betonte Baum. Außerhalb der strafrechtlichen Zone könne Kraft mit der Landesregierung, vor allem auch mit dem Landtag, eine Untersuchung in die Wege leiten, die sich jenseits einer individuellen strafrechtlichen Schuld mit den Organisationsmängeln befasse, erläuterte Baum auch im Deutschlandfunk. »Die Stadt Duisburg ist da im Fokus, der Veranstalter.« Auch gehe er fest davon aus, dass es Organisationsfehler bei der Polizei gegeben habe, sagte der Nebenklägervertreter.

Die endgültige Entscheidung über einen Loveparade-Strafprozess wird sich womöglich noch länger hinziehen. Grund ist, dass inzwischen eine weitere Justizbehörde in das Verfahren eingebunden ist: Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird zunächst der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vorgelegt. »Diese prüft, ob sie der Beschwerde der Staatsanwaltschaft beitritt, das heißt, ob sie die Beschwerde für aussichtsreich erachtet«, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Duisburg. Wie lange dies dauert, sei offen, hieß es. Agenturen/nd

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