Carpe Diem

Lena Tietgen findet, dass sich mit mehr Müßiggang besser lernen lässt

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer erinnert sich nicht gern an Robin Williams in der Rolle des Lehrers John Keating in dem amerikanischen Film »Club der Toten Dichter« aus dem Jahre 1989. Mit unkonventionellen Methoden stimulierte er die Lust am Lernen, motivierte damit die Schüler, selbstständig zu handeln und frei zu denken. Legendär die Szene, in der er sich auf das Pult stellt, mit offenen Armen und Händen den Schülern zugewandt forderte »Oh Captain! Mein Captain!« genannt zu werden. Mit einem Augenzwinkern inszeniert er sich als führender Pädagoge, der Bildung als Selbstbildung ernst nimmt.

Sein Motto carpe diem - genieße den Tag - trifft den Nerv vieler Bildungsdiskussionen bist heute. Lernt der Schüler durch Strenge und Disziplin oder durch Spiel, Kontemplation und Lust? Diese Frage ist bis heute nicht endgültig beantwortet. Auch deswegen, und nicht immer zur Zufriedenheit aller Beteiligten, setzt sich in der Schulpraxis häufig eine Mischung aus allem durch. Es spricht allerdings nichts dagegen, Müßiggang und Kontemplation in den Schulalltag einzubauen. Die Grenze menschlicher Belastbarkeit hinsichtlich der Zweckorientierung in Schule und Studium und bei der Arbeit ist nahezu erreicht.

Und weil angesichts der digitalen Entwicklung die geistige Produktion des Menschen an Bedeutung gewinnt, braucht es auch erprobte Formen des entschleunigten, dem Träumen und der Kontemplation zugewandten Arbeitens. Notwendig ist aber eine neue Schularchitektur, die genauso Experimentierfelder anbietet wie Rückzugsräume, Laubengänge oder Gärten - angefangen bei einer guten Rhythmisierung des Lernalltags bis hin zu einer sinnvollen Mischung aus individuellem und kooperativem Lernen. Müßiggang fördert nicht nur die Kontemplation, sondern lehrt uns auch - mit Hannah Arendt gesprochen - ein Denken ohne Geländer. In diesem Sinne: carpe diem!

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