Neues vom Wunderwerk Penis

Freitags Wochentipp: »Sex & Love« - eine Themenwoche auf 3sat

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Es müssten doch eigentlich ganz gute Zeiten sein, wenn lebenszugewandte Themen wie Mindestlohn, Kabinettsgipfel oder die Übertragungsrechte der Fußballbundesliga so die Schlagzeilen dominieren, dass lebensabgewandte Themen wie Krieg und Terror in hintere Regionen der Aufmerksamkeit verbannt werden. Selbst die »Zeit« hat gerade den Spartenkomiker Jan Böhmermann auf den Titel gehievt. Aber es ist aus medienpolitischer Sicht ja auch einzigartig, wenn ein Despot mit Satire konfrontiert wird und deshalb den deutschen Rechtsstaat bemüht.

Nun ist, nach allen Gesetzen von Moral, Anstand und StGB, allenfalls eine Geldbuße zu erwarten. Und doch sind die Folgen übers Strafmaß hinaus immens. Der sonst stets wortreich um sich schlagende Böhmermann hat seine Sendung »Neo Magazin Royale« vorerst abgesagt, steht unter Polizeischutz und muss die eklige Fraternisierung des Springer-Konzerns erdulden, unter anderem in Form eines fiktiven »Bild«-Interviews, das der hauseigene Vulgärpopulist Diekmann angeblich mit Böhmermann geführt haben wollte und das sich als Fälschung entpuppte. Erinnert sich noch jemand an den Scherz von 1987, in dem Rudi Carrell in seiner »Tagesshow« Irans Führer und religiöses Oberhaupt Khomeini mit einem Witz brüskierte? Die deutsche Politik reagierte damals allerdings nur mit regierungsamtlichem Bedauern fürs »Verletzen religiöser Gefühle«. Fertig.

In Carrells Filmchen sieht man verschleierte Iranerinnen, die Unterwäsche auf den Ayatollah werfen. »Ayatollah Khomeini wird von der Bevölkerung gefeiert und mit Geschenken überhäuft«, sagt Carrell dazu. Was für sexuell verklemmte Islamisten indes provozierender war als jedes Montagsspiel für einen Erstligafan, von denen es ab 2017 fünf Stück gibt.

Wenn man sich große Teile der Themenwoche »Sex & Love« auf 3sat ansieht, wird allerdings deutlich, wie verklemmt es auch im christlichen Kulturkreis noch immer zugeht. Schon die Doku »Lust und Lüge« befasst sich zum Auftakt mit dem Falsch- bis Unausgesprochenen, das uns die Erfüllung im Bett häufig so schwer macht. Die gefeierte Speeddating-Improvisation »Altersglühen« zeigt dann tags darauf zur gleichen Zeit, dass es damit im Alter nicht besser wird, bevor sich »Matrix der Lust« (Mittwoch) um die abertausend Missverständnisse auf dem Sektor der weiblichen Sexualität dreht, die sich bei »Wunderwerk Penis« (Donnerstag) spielend auf den Mann übertragen lassen.

Der sucht seine sexuelle Befriedigung auch bei Prostituierten (»Ware Mädchen«, am Freitag, 20.15 Uhr). Am selben Abend um 22.35 Uhr ist Michael Fassbender als nymphomaner New Yorker im schmerzhaften Drama »Shame« zu sehen. Neben ein paar hoffnungsfrohen Abstechern in die Welt der Libido wie »Sexualität im Kopf« (Dienstag, 21.40 Uhr) zeigt die ungeheuer spannende und sehr erhellende Themenwoche also Abend für Abend, was Sex auch im westlichen Kontext allzu oft ist: ein Schlachtfeld.

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