Plantagenarbeiter ohne Rechte

Im »progressiven« Costa Rica ist gewerkschaftliche Organisierung ungern gesehen

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Costa Rica hat international dank seiner innovativen Umweltschutzpolitik und dem Öko-Tourismus ein positives Image. Beides passt allerdings nicht zur Realität auf den Ananas- und Bananenplantagen.

Das Tor zur Plantage Miravalles steht sperrangelweit offen. Schräg daneben steht auf einem Schild von vier mal sechs Metern der Name der Plantage, darunter das Logo des US-amerikanischen Fruchtkonzerns Del Monte und dass an diesem Arbeitsplatz, Frieden, Respekt und soziales Verständnis herrschen. Das Schild quittiert Marcos Manuel Solís Delgado nur mit einem bitteren Lachen. »Hier gibt es eine Grabesstille, denn der Arbeitgeber übt Druck auf die Belegschaft aus, schikaniert uns und viele trauen sich nicht zu mucksen.«

Ein Klima der Angst herrscht auf der Plantage, denn wer sich engagiert, dem droht der Rausschmiss und Arbeit ist rar in der Region rund um die Plantage Miravalles. Die liegt im Kanton Matina in der Provinz Limón von Costa Rica. Dort gibt es Dutzende von Bananenplantagen und der Markt wird von den großen US-amerikanischen Fruchtkonzernen wie Del Monte, Dole, Chiquita dominiert. Allerdings sind mit dem irischen Fruchtkonzern Fyffes und der Grupo Acón neue Player auf dem Markt erschienen. Für die Arbeiter auf den Plantagen, darunter viele Migranten aus dem benachbartem Nicaragua, heißt das nichts Gutes, denn für bessere Arbeitsstandards steht keines der Unternehmen, so der 56-jährige Solís Delgado. Acht Kilometer radelt er jeden Morgen mit seinem Schwiegersohn Antenar Síles zur Arbeit. Der eine arbeitet bei Del Monte, der andere schuftet auf einer Dole-Plantage und beide stöhnen gemeinsam über die kargen Löhne und die systematische Ausgrenzung von organisierten Arbeitern.

»Ausbeutung auf den Plantagen ist Usus, solange ich dabei bin«, sagt Solís Delgado und reibt sich seine schmerzende Wade. Dort plagt ihn seit zwei Jahren eine Infektion, die nicht heilen will und die er auf den permanenten Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln zurückführt. Der Anbau von Bananen im feuchten Ambiente von Costa Rica ist nicht einfach, denn Pilze auf den Blättern und Fadenwürmer an den Wurzeln machen den Pflanzen in den großen Monokulturen zu schaffen. Mit Pestiziden halten die Konzerne dagegen und weltweit gilt Costa Rica als eines der Länder mit dem höchsten Pestizideinsatz pro Hektar, so der in Costa Rica arbeitende Toxikologe Clemens Ruepert.

Doch noch schlimmer für die Arbeiter ist das Lohndumping und die ständige Verweigerung gewerkschaftlicher Grundrechte. »Wir werden drangsaliert, können uns nicht ohne Schikanen organisieren. So bin ich gleich mehrfach entlassen worden - wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten«, schildert Solís Delgado seine Erfahrungen. Er ist seit vier Jahren bei der Sitepp aktiv, die in den vergangenen Jahren mehr und mehr rund um die Plantagen Costa Ricas aktiv wurde. Aquiles Rivera heißt der für die Plantagenwirtschaft zuständige Sitepp-Gewerkschaftsreferent, der regelmäßig im Kanton Matina unterwegs ist, wo Bananen, aber auch Ananas en gros angebaut werden. »Die Unternehmen unterlaufen immer wieder die Arbeits- und Organisationsrechte und es kommt immer wieder zu Entlassungen, weil die Arbeiter sich organisieren«, klagt Rivera. Dann zieht die Sitepp vor Gericht und klagt auf Wiedereinstellung. Das ist langwierig, dauert bis zu sieben Jahre, aber im Erfolgsfall muss der Plantagenbetreiber Löhne und Sozialabgaben nachzahlen, so Rivera. »Costa Ricas Unternehmen sind oft gewerkschaftsfeindlich eingestellt, aber wir haben in den vergangenen Jahren einige Achtungserfolge erstritten, die einen Wandel herbeiführen könnten.« Darauf setzt auch Solís Delgado seine Hoffnungen, denn eigentlich wird es Zeit, endlich Lohnerhöhungen durchzusetzen. »Wir verdienen rund 150 000 Colones (etwa 250 Euro) alle 14 Tage, aber es reicht hinten und vorne nicht. Ein Lohn von 300 000 bis 350 000 Colones wäre fair«, erklärt er und Schwiegersohn Antenar Síles nickt zustimmend. Am Ende des Monats fehlt oft das Geld für die Stromrechnung und in der Küche ist Schmalhans Küchenmeister.

Um an diesen Strukturen etwas zu ändern, müssen mehr Arbeiter eintreten. Derzeit sind nur 18 Arbeiter von 280 auf der Plantage Miravalles bei der Sitepp organisiert. Deswegen haben Rivera und Solís Delgado Bananenarbeiter aus der Region zum Gedankenaustausch in den Salón Comunal in die Kleinstadt Bataan geladen. Rund sechzig Bananeros sind gekommen, um sich von der Sitepp erklären zu lassen, wie man mehr Fairness bei den übermächtigen Fruchtkonzernen einfordern könne. Ein wesentliches Element dabei ist die Klagestrategie bei den nationalen Gerichten im Falle von Entlassungen, erklärt Gewerkschaftschef Luis Serrano. Dabei gibt es ein Problem: Wenn man erst einmal entlassen ist, bekommt man kaum wieder neue Arbeit. »Die Unternehmen führen schwarze Listen«, klagt Donald Tapia, der gerade entlassen wurde. »Ich bin mir sicher, dass ich meine Papiere bekommen habe, weil meine Frau in der Gewerkschaft aktiv ist«, erklärt er und weiß, dass dagegen schwer vorzugehen ist. Ein Problem, für das Sitepp-Mann Rivera noch keine Lösung hat.

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