Heiko Maas offen für Verschärfung des Sexualstrafrechts
LINKE fordert: Nein muss Nein heißen / Deutschen Frauenrat nennt bisherigen Entwurf unzulänglich
Berlin. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ist offen für weitere Verschärfungen im Sexualstrafrecht. In der ersten Debatte über die von ihm geplanten Änderungen am Donnerstag im Bundestag sagte Maas, er sei »gern bereit« über weitere Regelungen zu sprechen. Insbesondere die Diskussion um die sogenannten Grabscher-Fälle werde er »positiv begleiten«. Er wünsche sich, dass die Änderungen »zügig« beschlossen werden. Kritiker aus dem Parlament hatten zuvor moniert, dass die Verschärfungen im Sexualstrafrecht nicht ausreichten, um Frauen umfassend zu schützen.
Mit der von Maas geplanten Verschärfung des Sexualstrafrechts sollen auch Taten bestraft werden, bei der die Täter Überraschungsmomente oder Widerstandsunfähigkeit ausgenutzt oder dem Opfer Angst eingeflößt haben, so dass es sich nicht traute, sich zu wehren. Maas sagte, das Strafrecht zeige hier bislang »eklatante Schutzlücken«. Die Verurteilungsquote bei sexueller Gewalt und Nötigung liege bei nur acht Prozent. Frauen fühlten sich deshalb nur selten ermuntert, Taten auch strafrechtlich ahnden zu lassen.
Vor der Bundestagsdebatte über die Verschärfung des Sexualstrafrechts hat sich SPD-Fraktionsvize Carola Reimann für Änderungen an dem Gesetzentwurf ausgesprochen. Geklärt werden müsse vor allem, wie der Grundsatz »Nein heißt Nein« umgesetzt werden könne, sagte Reimann am Donnerstag im ZDF-»Morgenmagazin«. Kritiker fordern, dass ein klar ausgesprochenes »Nein« ausreichen müsse, damit eine sexuelle Handlung strafbar wird.
Zudem müsse für sexuelle Belästigung endlich ein Straftatbestand geschaffen werden, forderte Reimann. »Das werden wir als eigenen Paragrafen noch hinzufügen müssen«, sagte sie. Sexuelle Belästigung etwa am Arbeitsplatz sei ein großes Problem.
Der Bundestag berät am Donnerstag den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD). Vielen Feministinnen, Rechtsanwältinnen und Betroffenen-Verbänden, aber auch Abgeordneten verschiedener Parteien geht der Entwurf nicht weit genug.
Er macht es Opfern sexueller Gewalt zwar in Zukunft leichter, ihre Peiniger auch dann hinter Gitter zu bringen, wenn keine Gewalt angewendet wurde. Die Kritiker bemängeln aber, es gelte - bis auf Ausnahmefälle - weiterhin der Grundsatz, dass sich das Opfer physisch zur Wehr setzen oder eine etwaige Fluchtmöglichkeit nutzen müsse. Sie fordern, dass ein einfaches, klar ausgesprochenes »Nein« ausreichen muss. So hat es inzwischen auch der Bundesrat formuliert.
Nach Kritik aus den Parteien soll die Vorlage im parlamentarischen Verfahren nachgebessert werden. Strafbar soll demnach auch das so genannte Begrapschen werden.
Aufgrund der Ungereimtheiten und Uneinigkeit zwischen den Parteien hat die LINKE einen alternativen Gesetzentwurf formuliert, der ebenfalls das Ziel verfolgt, Schutzlücken im Sexualstrafrecht zu schließen. Dazu soll der Tatbestand der Strafbarkeit »nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen« geschaffen werden. Der deutlich artikulierte Unwillen soll dabei ausreichen, auch wenn es zu keiner Gegenwehr gekommen ist, fordert die Linksfraktion.
Katja Kipping fordert daher: »Sexuelle Selbstbestimmung darf nicht von einem Maßnahmenkatalog abhängen, bei dessen Nichterfüllung sexualisierte Gewalt straflos bleibt. Die LINKE fordert deshalb eine Gesetzesänderung: Frauen müssen künftig vor «nicht einverständlichen sexuell bestimmten Handlungen» geschützt werden, wie es in Artikel 36 der von Deutschland unterzeichneten «Istanbul-Konvention» des Europarats zur Gewalt gegen Frauen von 2011 vorgegeben ist.
Auch das vom Deutschen Frauenrat gegründete «Bündnis Nein heißt Nein» hat den bisherigen Entwurf der Bundesregierung für ein schärferes Sexualstrafrecht als unzulänglich kritisiert. Der Regierungsentwurf sei zwar «ein erster Schritt in die richtige Richtung», vollziehe aber «keinen grundlegenden Paradigmenwechsel», heißt es in einem bereits am Dienstag in Bonn veröffentlichen Brief des Bündnisses an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und alle Bundestagsabgeordneten.
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sei «auch weiterhin nicht an sich geschützt», mahnt das Bündnis, dem neben dem Frauenrat unter anderem Terre des Femmes, der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, das Deutsche Komitee für UN Women sowie zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer angehören. Übergriffe blieben weiterhin straffrei, «auch wenn die von Gewalt betroffene Person ihren entgegenstehenden Willen bekundet» habe. Agenturen/nd
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