Kroatiens Regierung blockiert sich selbst
Mitte-Rechts-Koalition leidet unter Machtkämpfen / Bevölkerung glaubt nicht an eine Weiterführung
Zumindest der offizielle Kapitän von Kroatiens schlingerndem Regierungsboot hat nach den ersten hundert Amtstagen sein optimistisches Dauerlächeln noch nicht verloren. Seine Regierung sei »stabil« und er sei »absolut überzeugt«, dass sie ihr Mandat »bis zum Ende« erfüllen werde, versicherte der parteilose Premier Tihomir Oreskovic. Die Koalition der konservativen Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) und der liberalen Protestpartei Most (Brücke) hätte sich eben erst »einspielen« müssen: »Unterschiede sind normal.« Schwer war ihre Geburt, holprig ihr Beginn - und fragwürdig sind ihre Zukunftsaussichten: Nur ein Viertel der Kroaten glaubt laut einer vom Fernsehsender RTL in Auftrag gegebenen Umfrage daran, dass die Koalition die Legislaturperiode überlebt. 70 Prozent sind gar der Ansicht, dass die Regierung hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Er könne deren Arbeit nicht bewerten, weil sie außer einer als Reformpaket präsentierten »Wunschliste« einfach nichts gemacht habe, kritisierte der Analyst Zarko Puhovski: »Die vorherige Regierung war schlecht, aber diese regiert überhaupt nicht.«
Tatsächlich sieht die bisherige Bilanz der neuen Regierungstruppe bescheiden aus. Statt die gelobten Reformen beherzt in Angriff zu nehmen, beharkten sich die Koalitionspartner bislang vor allem in endlosem Gerangel um Posten und Einfluss. »Hundert Tage Regierung, hundert Tage Streit«, zieht das Internetportal Index nüchtern Bilanz. Nicht nur die Entlassungen beim Rundfunksender HRT und die fragwürdige Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens bescherten Zagreb auch international eine schlechte Presse. Aus Protest gegen die Verharmlosung der Verbrechen der faschistischen Ustascha im Zweiten Weltkrieg durch Kulturminister Zlatko Hasanbegovic blieben die Opferverbände der offiziellen Gedenkfeier im KZ Jasenovac erstmals fern.
Doch es ist weniger die dürftige Bilanz als die schwachen Kohäsionskräfte der Koalition, die selbst auch Regierungspolitiker an deren Zukunft zweifeln lässt. Mit dem sich als eigentlichen Kabinettschef verstehenden HDZ-Chef Tomislav Karamarko und den die Rolle des kompromisslosen Reformers mimenden Most-Chef Bozo Petrov sitzen Premier Oreskovic gleich zwei weitere Steuermänner im Nacken. Einen gleichen Taktschlag oder eine gemeinsame Wellenlänge hat das Trio noch nicht gefunden.
Die Erwartung von Karamarko, den unerfahrenen Politneuling Oreskovic leicht kontrollieren zu können, hat sich bisher ebenso nicht erfüllt. Bei mehreren Personalentscheidungen versperrte sich der Premier den Wünschen des HDZ-Chefs. Der Premier habe »immer noch« die Unterstützung der HDZ, so vielsagend der angesäuerte Karamarko: »Wenn er sie verliert, wird er nicht mehr länger Premier sein.« Most-Chef Petrov zeigt sich derweil über den geringen Reformeifer der HDZ enttäuscht. Falls in den nächsten drei Monaten deutlich werde, dass sich die anvisierten Reformen nicht verwirklichen ließen, müsse man eingestehen, »dass die Dinge nicht funktionieren und besser jemand anders die Regierung übernimmt«.
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