DDR-»Tripperburgen«: Betroffene wollen Rehabilitation
Zahl der betroffenen Frauen laut aktuellem Bericht des ARD-Magazins »Fakt« bei 100.000 / Auch Stasi soll beteiligt gewesen sein / Entschädigung bislang stets abgelehnt, weil gesetzliche Grundlage fehlt
Leipzig. Die Zahl der betroffenen Frauen, die wegen des Verdachts auf Geschlechtskrankheiten in venerologischen Stationen der DDR-Polikliniken eingesperrt wurden, ist einem Medienbericht zufolge höher als bisher angenommen. Die Wissenschaft gehe inzwischen von bis zu 100.000 Frauen aus, die in den sogenannten »Tripperburgen« festgehalten wurden, erklärte der Medizinhistoriker der Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg, Florian Steger, dem ARD-Magazin »Fakt« am Dienstagabend. Die meisten von ihnen mussten dem Bericht zufolge dort verweilen, obwohl sie nicht erkrankt waren.
»Die geschlossenen venerologischen Abteilungen waren Teil des DDR-Staatssystems auch unter der Beteiligung des Ministeriums für Staatssicherheit, um sozialistische Bürgerinnen zu erziehen«, hieß es. Das Vorgehen finde sich in der gesamten früheren ostdeutschen Republik, von Berlin bis nach Leipzig, Dresden und Magdeburg. Es habe sich in diesen Abteilungen nicht vorrangig um Therapien gehandelt. Nur etwa 30 Prozent dieser Patienten seien geschlechtskrank gewesen.
Betroffene Frauen seien dort »somatisch wie psychisch schwer traumatisiert worden, viele litten bis heute darunter«, berichtete das Magazin »Fakt«. In der venerologischen Station in Berlin-Buch seien die Frauen zudem für Kosmetiktests missbraucht worden. Ohne Aufklärung hätten sie Artikel testen müssen, die noch nicht auf dem Markt gewesen seien.
Bis in die Gegenwart kämpften Betroffene um eine öffentliche Anerkennung, Rehabilitation und Entschädigung, hieß es weiter. Die Anträge auf Entschädigung würden abgelehnt, weil eine Traumatisierung nicht zweifelsfrei auf den Zwangsaufenthalt zurückgeführt werden kann. Gesetzliche Grundlagen dafür fehlten bisher. Steger appellierte: »Es ist ein Gebot der Menschenwürde und auch der Achtung der Menschenrechte, dass wir heute diese Geschichte aufarbeiten.« Zudem müsse dieses Unrecht anerkannt werden. dpa/nd
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