NPD erhält Deckung durch Richter mit AfD-Parteibuch
Landgericht Dresden untersagt in umstrittener Entscheidung kritische Äußerungen über die rechtsradikale Partei
Dresden. Steffen Kailitz ist nicht irgendwer: Der habilitierter Politikwissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden ist einer der Sachverständigen, die sich vor dem Bundesverfassungsgericht im Verfahren zum möglichen Verbot der rechtsradikalen Partei äußern. Seine Äußerungen haben entsprechend hohes Gewicht in der Debatte. Kailitz Position ist eindeutig: Die NPD gehört verboten. Solch klaren Experten-Äußerungen hört die Führungsspitze der Rechtsradikalen im Karlsruher Prozess allerdings weniger gern und klammert sich entsprechend an jeden Strohhalm, um eine möglicherweise drohende Niederlage in Karlsruhe und das damit verbundene Ende der Partei abzuwenden. Diesen hat die NPD nun offenbar gefunden:
Ende April verfasste Kailitz in der Wochenzeitung »Die Zeit« einen Gastbeitrag, indem er sich wie in Karlsruhe für ein NPD-Verbot aussprach. So ließe das Parteiprogramm »keinen Zweifel daran«, dass die Rechtsradikalen für den Fall eines Machtgewinns »die demokratische Grundordnung Deutschlands durch eine völkische Diktatur ersetzten« würde. Eine Demokratie habe allerdings das Recht, »eine derart aggressiv antidemokratische Partei wie die NPD vom Wettbewerb auszuschließen«.
In einer weiteren Passage seines Kommentars erklärte der Politikwissenschaftler, es sei »unmissverständlich«, dass die NPD »rassistisch motivierte Staatsverbrechen« plane. Die Partei wolle »acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund.« Was zugespitzt formuliert klingt, argumentiert Kailitz, könne hinreichend durch Fakten belegt werden. Dafür verweist er unter anderem auf das »Aktionsprogramm der NPD« aus dem Jahr 2002. Darin heiße es »Integration ist Völkermord« sowie »Die NPD fordert deswegen eine gesetzliche Rückführung der derzeit hier lebenden Ausländer. Grundsatz deutscher Ausländerpolitik ist: Rückkehrpflicht statt Bleiberecht«.
Genau diesen Absatz des Zeit-Beitrags nahm NPD-Anwalt Peter Richter nun zum Anlass, juristisch gegen Kailitz vorzugehen und seine Äußerungen zu untersagen. Überraschend gab das zuständige Landgericht Dresden nun laut Verfassungsblog.de der rechtsradikalen Partei Recht. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro oder sechs Monaten Ordnungshaft darf Kailitz nicht mehr öffentlich behaupten, die NPD plane »rassistische Staatsverbrechen« und wolle »acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund«. NPD-Bundesvorsitzender Frank Franz jubelt in einer Mitteilung: »Es bleibt zu hoffen, daß diese Entscheidung aus Dresden ein Warnschuß vor den Bug für alle diejenigen sein wird, die leichtfertige Behauptungen über unsere Partei in die Welt setzen.«
Die Entscheidung wirft ein zweifelhaftes Licht auf den zuständigen Richter Jens Maier, berichtet Maximilian Steinbeis in seinem Verfassungsblog. Pikant ist dabei: Maier ist bei der sächsischen AfD als Mitglied des Landesschiedsgerichtes aktiv. Offiziel distanziert sich die Rechtspartei immer wieder davon, mit der NPD in irgendeiner Weise in Verbindung gebracht zu werden.
Kailitz hatte nicht einmal die Chance, sich auf den Antrag der NPD hin zu äußern. Die Angelegenheit sei so dringlich gewesen, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen werden müsste. Auf den Kosten des Verfahrens soll nun Kailitz sitzen bleiben. Der festgesetzte Streitwert beläuft sich auf 10.000 Euro. Gegenüber der »Süddeutschen« sprach der Anwalt des Dresdner Politikwissenschaftlers, Jörg Nabert von einem »echten Justizskandal« und erklärte, er habe bereits Widerspruch gegen die Entscheidung eingereicht.
In der jüngeren Vergangenheit ging Kailitz auch mit der AfD hart ins Gericht: Über die sächsische Landtagsfraktion der Rechtspartei urteilte er kürzlich: Sie habe »eine unterdurchschnittliche parlamentarische Leistung von dem gezeigt, was man normalerweise als Fraktion auf die Beine stellt«.
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