Lola im Nachtprogramm
Freitags Wochentipp: Verleihung des Deutschen Filmpreises
Jetzt sind also die Juristen am Zug: Das Landgericht Hamburg untersagt Jan Böhmermann per einstweiliger Verfügung die Weitergabe sexuell konnotierter Gedichtspassagen, erlaubt aber jene mit politischer Stoßrichtung. Damit tun die Richter exakt das, was dem Satirebegriff widerspricht: Inhalt und Kontext zu trennen. Kein Wunder, dass der Komiker das Urteil dankend ablehnt und dafür - danke, Jan! - zur Not bis vors Verfassungsgericht ziehen will.
Vor einer ähnlichen Instanz könnten auch Netflix oder Amazon landen, wenn die EU ihre Drohung von voriger Woche wahr macht, Streamingdiensten eine Quote von 20 Prozent des Programms aufzuerlegen, das in Europa produziert wird. Jener Kontinent, mit dem es derzeit große Teile der Wohnbevölkerung nicht mehr so recht haben. Umso mehr klingt solch ein Ansinnen nach einem Kniefall vor eben jenen Rechtspopulisten aller Herren Mitgliedsländer, denen die abendländische Kultur so sehr am Herzen liegt, dass sie deren christliche Grundierung mit Dummheit überpinseln.
Den richtigen Umgang damit fand gerade abermals die zum Niederknien hinreißende Dunja Hayali. Einen besonders grässlichen all der Hasspost(s), die ihr das leicht entflammbare Netz ins Haus spült, hat sie nun grammatikalisch korrigiert publik gemacht. Damit beweist die Moderatorin mit irakischen Wurzeln in jeder Hirnzelle mehr Verstand als all die Geisteszwerge zusammen, deren Schatten unter der tiefstehenden Sonne der Kultur gerade besonders lang sind.
Womit wir beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wären! Auch dort nämlich befindet sich das Niveau teilweise im Sinkflug Richtung kommerzielle Konkurrenz - dafür muss man gar nicht zur Mitternacht abgeschobene Dokumentarfilme, verbunden mit der grassierenden Verflachung des Restprogramms in den Blick nehmen; es reicht einer auf Freitag, wenn die ARD von der Gala zur Verleihung des Deutschen Filmpreises berichtet. Um 22.15 Uhr! Als Konserve! Nach der »Tagesschau« läuft schließlich wie gewohnt was Leichtes hiesiger Herkunft, diesmal »Türkisch für Anfänger«. Für den wichtigsten deutschen Filmpreis bleibt nur die »Second Prime« genannte Spanne im Anschluss an die zugkräftigere Hauptsendezeit. Die übrigens stets leichthin geräumt wird, wenn künstlerisch belanglose, aber privatfernsehgrelle Dauerwerbetrophäen wie »Bambi« oder »Goldene Kamera« verliehen werden, deren Stifter (Burda/Springer) das Reklameverbot ab 20 Uhr dann stundenlang unterlaufen dürfen.
ARD, 27.5., 22.15 Uhr
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