Jungbrunnen ade

  • Iris Rapoport, Boston und Berlin
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast schien der ewige Jungbrunnen gefunden. Das war im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts. Oxidativer Stress und dadurch geschädigte biologische Strukturen waren als eine wichtige Ursache des Alterns erkannt.

Entdeckt war auch, dass das fettlösliche Vitamin E als natürlicher Schutz vor Oxidation von Lipiden wirkt. Vitamin E befindet sich in allen Membranen, in den Lipoproteinen des Blutes und in den Fettdepots. Seine vermehrte Zufuhr, so hoffte man, würde gegen die Attacken des Sauerstoffs, dieses unverzichtbaren und doch so gefährlichen Gases schützen!

Reaktive Sauerstoffradikale greifen ungesättigte Fettsäuren an. Dabei bilden sich Fettsäureradikale. Das startet eine Kettenreaktion. Und der stellt sich Vitamin E in den Weg! Es wirkt als Radikalfänger, indem es selbst reaktionsträge Radikale bildet, die mit Hilfe von Vitamin C entsorgt werden.

Mit enormen Erwartungen auf Altersverzögerung und Lebensverlängerung wurden in den 1990ern unglaubliche Mengen an Vitamin E geschluckt. Dabei stand Vitamin E synonym für alpha-Tocopherol.

Nachfolgende Studien ernüchterten. Sie verschreckten mit Botschaften von gesteigerter Sterblichkeit, kündeten von Unwirksamkeit und nur einige von schützender Wirkung.

So erwuchsen Zweifel, ob denn die Antioxidans-Funktion des Vitamins E auch seine wichtigste wäre. Bisher wurde zwar, anders als bei Vitamin A oder D, für Vitamin E kein Rezeptor gefunden, der eine direkte Genregulation ermöglicht. Trotzdem beeinflusst auch dieses Vitamin das Ablesen unserer Gene. Und es reguliert Enzymaktivitäten. So werden Entzündung und Blutgerinnung gehemmt und das Immunsystem gestärkt.

Lange wurde auch wenig beachtet, dass alpha-Tocopherol nur einer von acht Stoffen ist, die als Vitamin E zusammengefasst werden. Man unterscheidet vier Tocopherole und vier Tocotrienole mit durchaus unterschiedlichen Wirkspektren. Wurden die Tocotrienole bisher unterschätzt? Sind sie es, die vor hohem Cholesterin und Krebs schützen? (»Nutrition & Metabolism«, doi: 10.1186/1743-7075-11-52) Viele Fragen sind offen und weitere Forschung dringend erforderlich!

Was tun? Einfach das, was in der Ernährung immer angeraten ist - Abwechslung! Auch bei den verwendeten Ölen. Denn alle E-Vitamine werden zwar von Pflanzen gebildet, aber als fettlösliche Stoffe sind sie in Obst und Gemüse kaum zu finden. Die besten Quellen sind Nüsse und die Produkte ölhaltiger Samen: Oliven- und Sonnenblumenöl sind gute alpha-Tocopherolspender. Maiskeim- und Rapsöl liefern gamma-Tocopherol. Tocotrienole finden sich im selten verwendeten Traubenkernöl, geringe Mengen in den ölhaltigen Anteilen von Getreiden. Auch Leinölgourmets sind wieder einmal im Vorteil!

Der tägliche Bedarf, bisher nur orientiert an alpha-Tocopherol, wird auf zwölf Milligramm geschätzt, ein Überschuss in Leber und Fett gespeichert. Die tolerierbare tägliche Zufuhr schätzt man auf ein Gramm. Ein Mangel ist bei normaler Ernährung nicht zu befürchten. Der Traum vom Jungbrunnen ist vorerst verronnen - doch die Forschungs-Karawane zieht weiter.

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