Sein Bildwitz möge leben!

Zum Tode des Zeichners Adolf Born

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Schade drum, dass wir von ihm seit dem 22. Mai von einem Gewesenen sprechen müssen. Denn es gibt Menschen, die stehen für etwas, obwohl sie immerfort an einem Zeichentisch sitzen. Man denkt, sie krakeln bloß. Sie lassen ihre Hand über diverses Zeichenpapier flitzen. Seltsam menschlich-tierische Gestalten treiben da Possen. Und dann fliegen die Papiere so über die Welt. Ohne Rücksicht auf Grenzen und Gebote. Kunstvoll gedruckt und gebunden finden sie ihr Publikum. Phantasievoll animiert kommen sie als Trickfilme ins Kino. Eine eigene visuelle Kultur beschwingt die Sinne und weckt den Geist.

Ja, so einer war der Adolf Born in Prag. Er war so etwas wie eine Leitfigur in einer Szene, wo der Bildspaß die erste Geige spielte. Der am 12. Juni 1930 an der tschechisch-österreichischen Grenze Geborene muss eine stark habsburgisch kontaminierte Muttermilch aufgesogen haben. Wenn er überhaupt selten genug Worte machte, dann Deutsch genauso wie Tschechisch. Das von ihm karikierend verherrlichte Personal war wie von vorgestern vom ollen Franz-Josef. Wieso wirkte es dennoch so herrlich gegenwärtig? Es tummelte sich doch in einem einzigen Zoo von überhaupt nicht lokalisierbaren Fabeltieren. Grotesk verfremdete Phantasmen? Es war ja so lebendig gezeichnet - da kamen sie wundervoll an.

Es ist heute kaum noch vermittelbar, dass eine satirisch akzentuierte Szene der komischen Zeichenkunst ausgerechnet da prachtvoll gedieh, wo Parteidogmen regierten. Er war ja nicht der Einzige. Wie hießen sie doch? Neprakta. Zabransky. Kolar. Salamoun. Sliva. Als aus dem scharf attackierenden Karikaturisten Born, den »Prager Frühling« 1968 feiernd, spätestens seit 1973 ein anderer werden musste, war der grafische Hochkünstler geboren. Der in Folge den Kunstmarkt mit feinsinnig ironisierenden Lithografien und Radierungen überschwemmte - es war derselbe. Es änderte sich auch kein Jota an seiner bildkünstlerischen Gesinnung, als er sich der großen Literatur bemächtigte. Er kaperte illuster illuminierend von »Mutter Courage« bis »Pippi Langstrumpf«, von »Robinson Crusoe« bis »Casanova« alles, was gut und dem gebildeten Menschen teuer ist.

Selbst »Grimms Märchen« adaptierte er zuletzt zeichnerisch. Das Geheimnis ist gar nicht märchenhaft: Hinter einer Welt vordergründig witzelnder Plattheiten tut sich für den, der dahinter steigt, die andere Welt des hintergründig ironisch verzauberten Eigentlichen auf. Eine Übung, die zu Zeiten erlernbar war, als man manuell noch gern etwas auf Papier festhielt, ehe man nun virtuell vermeintlichen Erlebnissen hinterherjagt. Adolf Born hatte eben bei Meistern wie Cyril Bouda und Antonin Pelc zeichnen gelernt. Er wusste noch, dass ein Blatt zeichnerisch komponiert werden muss wie musikalisch eine Fuge. - Sollte es das Vergängliche sein, was wir betrauern, wenn wir seine in den 80er Jahren im Eulenspiegel Verlag erschienenen großen Bilderbücher noch einmal in die Hand nehmen?

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